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# taz.de -- „Fluchtabwehr“ soll jetzt Entwicklungspolitik werden
> EU Das neue Konzept soll „migrationspolitische Ziele“integrieren. Das
> stößt auf breite Kritik
Aus Brüssel Danièle Weber
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sprach von einer „neuen Art,
Entwicklung anzuschauen“, als sie Mitte Mai die neuen Leitlinien für die
europäische Entwicklungspolitik bis 2030 vorstellte, über die das
Europaparlament am heutigen Donnerstag abstimmt. „Wir passen unsere Politik
der Komplexität der Weltlage an“, sagte die Italienerin. Neben der
Bekämpfung von Armut ziele Entwicklungspolitik darauf ab, „andere Felder“
abzudecken.
Eins davon ist die Migration. Diese sei „sowohl für Entwicklungs- wie für
Industrieländer zunehmend zu einem akuten Problem geworden“, heißt es im
55-seitigen Grundsatzpapier mit dem Titel „Europäischer Konsens zur
Entwicklungspolitik“. Die Lösung dieses Problems wird nunmehr auch zur
Aufgabe europäischer Entwicklungspolitik gemacht.
Das breitere Konzept stößt auf Kritik. Entwicklungshilfe-Organisationen
beklagen eine Instrumentalisierung der Entwicklungspolitik. Der Text trage
die Handschrift der EU-Innenminister und habe in vielen Passagen nichts mit
Entwicklungspolitik zu tun, findet Maria Heubuch, Europa-Abgeordnete der
Grünen. „Hier geht es vor allem um Fluchtabwehr“, so Heubuchs
Interpretation. Die neuen Leitlinien lieferten zudem die Legitimation für
eine Zweckentfremdung der Entwicklungsgelder“, so ihre Befürchtung. „Dieser
Text wird als Leit-Dokument dienen, wenn die entwicklungspolitischen
Instrumente im mehrjährigen Finanzrahmen der EU definiert werden.“
Tatsächlich könnten Geberländer bestimmte Leistungen an die Bereitschaft
der Empfänger knüpfen, Maßnahmen gegen Migrationsströme zu ergreifen. Die
EU-Staaten „werden koordiniert an Migration herangehen“, dabei „Synergien
maximieren“ und „den nötigen Hebel ansetzen“, in dem sie auf die
entsprechenden Instrumente, „inklusive der Entwicklungspolitik,
zurückgreifen“, lautet eine entscheidende Passage, über die besonders viel
in den Verhandlungen zwischen Europäischer Kommission, Mitgliedstaaten und
Europaparlaments diskutiert wurde. Der Druck, an dieser Formulierung
festzuhalten, kam unter anderem aus Polen.
Auf Wunsch der ungarischen Regierung wurde zudem eingefügt, dass
Migrationspolitik insbesondere das Recht der Mitgliedstaaten nicht
einschränken darf, „das Volumen der Aufnahme von Bürgern aus Drittstaaten“
festzulegen. Immerhin habe das Parlament „in schwierigen Verhandlungen mit
den mehrheitlich konservativen Mitgliedstaaten“ negative Anreize wie etwa
eine Kürzung der Entwicklungshilfe, falls die Partnerländer nicht
kooperieren, verhindert“, sagt Norbert Heuser (SPD), einer der
Verhandlungsführer des Parlaments, dessen Analyse deutlich positiver
ausfällt. Migration sei „nur ein thematischer Punkt unter vielen anderen“,
der Text stelle anderenorts einen Fortschritt dar, indem er etwa rechtlich
bindende Umwelt- und soziale Standards für Investitionen festschreibt.
Seine Fraktion wird ebenso wie die der Christdemokraten die neuen
Leitlinien gutheißen. Gegen diese Mehrheit rufen Liberale, Grüne und die
Linke dazu auf, sich bei der Abstimmung zu enthalten. Der Text stelle einen
Rückschritt im Vergleich zu den Leitlinien von 2005 dar, heißt es in einer
gemeinsamen Resolution. Unter Verweis auf Artikel 208 des EU-Vertrags solle
Armutsbekämpfung weiterhin das alleinige Ziel europäischer
Entwicklungshilfe bleiben.
1 Jun 2017
## AUTOREN
Danièle Weber
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