# taz.de -- heute in Bremen: „Ich hatte keinen Bezug“ | |
> Lesung Autor Florian Schmitz berichtet, wie ein syrischer Freund ihn in | |
> Bremen integrierte | |
taz: Herr Schmitz, welchen Blick hatten Sie auf Deutschland, bevor Sie | |
Ihren syrischen Freund Soumar kennengelernt haben? | |
Florian Schmidt: Mein Blick auf Deutschland war ein sehr persönlicher und | |
kein besonders positiver. Das lag vor allem an der schwierigen | |
Arbeitssituation. Als freier Autor in Berlin ist es nicht leicht, einen Job | |
zu finden. Das hat dazu geführt, dass ich mich nicht gewollt gefühlt habe. | |
Ich musste einfach raus. | |
Wieso hat sich das geändert? | |
Zum einen war es die Freundschaft zu Soumar. Durch die Gespräche mit ihm | |
habe ich angefangen, mich selbst zu hinterfragen und zu merken, welche | |
Privilegien ich als Deutscher habe. Der zweite Grund war, dass ich nach | |
Griechenland gezogen bin. In Deutschland definiert man sich als Berliner, | |
Bremer oder Münchener. Durch das Leben im Ausland fühlte ich mich mehr als | |
Deutscher. Das ist ein Prozess, den man erst realisiert, wenn man selber | |
irgendwo fremd war. | |
Was ist das erstaunlichste, was Sie von Ihrem syrischen Freund über | |
Deutschland gelernt haben? | |
Das war der Fußball. Ich war ein absoluter Antifußballer. In meinem | |
elitären Denken habe ich Fußballfans immer als „biertrinkende Prolls“ | |
abgetan. Soumar hat mir dann aber gezeigt, was für ein Netzwerk hinter den | |
Fußballfans steckt und wie gut die Bremer Fans ihn und andere Flüchtlinge | |
aufgenommen und eine Gemeinschaft geboten haben. Obwohl viele meiner | |
Freunde zum Fußball gegangen sind, habe ich nie gesehen, was eigentlich | |
dahintersteckt. | |
Wie kam es dazu, dass ein Syrer Sie in Bremen integriert hat? | |
Wir haben uns in Griechenland kennengelernt, wo Soumar als Flüchtling | |
ankam. Als er in Deutschland war, habe ich oft mit ihm via Skype | |
gesprochen. Er hat mir von Sachen in Deutschland erzählt, die ich nicht | |
kannte. Irgendwann habe ich ihn dann in Bremen besucht und wir haben Dinge | |
unternommen, die ich ohne ihn niemals gemacht hätte. Wie zum Fußball zu | |
gehen. Ich hatte vorher keinen Bezug zu Bremen. Soumar hat ihn mir gegeben. | |
So funktioniert Integration in der Praxis. | |
Sie sagen, dass es für Integration keiner Leitkultur bedarf. Was braucht es | |
dann? | |
Integration benötigt vor allem Räume für eine Begegnung. Es braucht keinen | |
10-Punkte-Plan, der einem zeigt, was deutsch ist. Es braucht Aktionen und | |
Räume, um sich kennenzulernen, um naive Fragen an den anderen stellen zu | |
können und sich dann immer wieder selbstkritisch zu hinterfragen, | |
Integration ist ein beidseitiger Prozess. | |
Interview Maximilian Schmidt | |
Lesung aus dem Buch: „Erzähl mir von Deutschland, Soumar“, 20 Uhr, | |
Zollkantine Bremen, mit anschließender Diskussion | |
26 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Maximilian Schmidt | |
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