# taz.de -- ZEITUNGSKRISE Tageszeitungen können sich kaum noch finanzieren. Co… | |
von Kalle Ruch | |
Die Erfindung des Buchdrucks durch den Mainzer Johannes Gutenberg legte im | |
Jahr 1445 die Grundlage zur Verbreitung von Druckerzeugnissen. 1650 | |
erschien in Leipzig mit den Einkommenden Zeitungenzum ersten Mal eine | |
Tageszeitung mit sechs Ausgaben pro Woche. Im 19. Jahrhundert ermöglichten | |
technische Neuerungen, wie die Erfindung der Rotationsmaschine und der | |
Linotype-Setzmaschine, die Massenpresse. | |
Mit zunehmender Alphabetisierungsrate stieg das Interesse der Bevölkerung | |
an Informationen aus Politik und Gesellschaft. Der Fall des staatlichen | |
Anzeigenmonopols erschloss Zeitungen eine zweite Einnahmequelle. Durch den | |
Anzeigenverkauf konnten die Zeitungen noch günstiger verkauft werden, was | |
zu einer wesentlich größeren Verbreitung führte. | |
Die Grundlagen einer journalistisch und wirtschaftlich erfolgreichen | |
Presselandschaft wurden über Jahrhunderte durch eine Symbiose ganz | |
unterschiedlicher Interessen gelegt. Ihr Niedergang vollzieht sich nun in | |
wenigen Jahren. Wenn das einst erfolgreiche Modell der Presse, Journalismus | |
vor allem aus Erlösen der Anzeigenwerbung zu finanzieren, verschwindet und | |
tragfähige Geschäftsmodelle für das Internet fehlen, dann stellt sich immer | |
drängender die Frage, wie lange überhaupt noch eine privatwirtschaftliche | |
Finanzierung von aufwändigem und teurem Qualitätsjournalismus möglich sein | |
wird. | |
## Die Frage heißt: Geht es auch anders? | |
In den meisten Ländern Europas gibt es neben der privatwirtschaftlich | |
organisierten Presse öffentlich-rechtlich organisierte und über Gebühren | |
finanzierte Sender mit dem Auftrag der journalistischen, politisch und | |
wirtschaftlich unabhängigen Grundversorgung. Beide Systeme werden ihre | |
Publikationskanäle in Zukunft im Internet betreiben und auch miteinander im | |
Wettbewerb stehen. Wie soll das aber ausgehen, wenn die einen über | |
Milliarden von Gebühren verfügen und die anderen damit beschäftigt sind, | |
ihre Aufwendungen den drastisch fallenden Erlösen anzupassen? | |
Mehr noch: Wie könnte ein Geschäftsmodell für den nicht durch Gebühren | |
alimentierten Teil des Journalismus aussehen? Brauchen wir das überhaupt? | |
Reicht es nicht aus, ARD und ZDF einfach für das Internetzeitalter zu | |
reformieren? | |
Abgesehen vom Zweifel, ob die öffentlich-rechtlichen Systeme überhaupt für | |
eine Internetzukunft reformierbar sein werden, wäre ein Verzicht auf | |
marktwirtschaftliche, privat finanzierte Alternativen immer ein Verlust von | |
Vielfalt. Die taz hat nie von den Anzeigenaufkommen leben können, die aus | |
den klassischen Verlagen Gelddruckmaschinen machten. Diese Zeitung baute, | |
auch notgedrungen, aber als starkes Pfund, auf all die MitarbeiterInnen, | |
die mit der taz eine andere Stimme formulieren wollten – und die Welt | |
verbessern gleich dazu. | |
Mit den Jahren kam als Rückgrat dieses Hauses die taz-Genossenschaft hinzu: | |
Das Kollektiv der Mitarbeitenden hatte sich inzwischen das Vertrauen ihrer | |
Leserinnen und Leser erarbeitet: Die taz gewann über alle Jahre etwas, um | |
das andere Medienhäuser sie beneiden: eine lebendige, nicht gerade leise | |
und schwache Community. | |
Die Solidarität der LeserInnen wurde schon ein halbes Jahr nach dem Start, | |
Ende der siebziger Jahre, erstmals mobilisiert, um finanzielle Löcher zu | |
stopfen. | |
Heute ist die taz-Genossenschaft unser Fundament. Die Mitarbeitenden | |
verfügen qua Satzung über Sonderrechte und haben einen wichtigen Teil ihrer | |
Stellung aus der Zeit der Selbstverwaltung behalten. Sie wählen die | |
Mehrheit des Vorstandes und können bei wichtigen Unternehmensentscheidungen | |
nicht übergangen werden. | |
## Die taz-Genossenschaft als Modell für andere? | |
Die Transformation der Presseverlage in die digitale Medienzukunft ist in | |
vollem Gange. Dem Fall der Auflagen und dem Rückgang der Umsätze wird durch | |
Konzentration und Abbau redaktioneller und verlegerischer Ressourcen | |
begegnet. Manchmal übernehmen die Insolvenzverwalter die Arbeit, wie bei | |
der Frankfurter Rundschau. Im besseren Fall macht es das Management selbst, | |
wie bei der Berliner Zeitung. Aber in keinem der Fälle werden die | |
Ressourcen der Mitarbeitenden und Lesenden gehoben. | |
Auf diese Potenziale wird es aber in Zukunft ankommen: Kommunikation nicht | |
mehr als Einbahnstraße von Redaktion ins Publikum, sondern als dauerhafter, | |
nicht nur gelegentlicher Prozess des Gesprächs zwischen Autor*innen und den | |
Lesern und Leserinnen. Ohne Community wird kein publizistisches Projekt | |
überleben – weder auf Papier noch digital. | |
24 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Kalle Ruch | |
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