# taz.de -- heute in hamburg: „Entrechtet und vertrieben“ | |
> Geschichte Christine Harff spricht über die Spuren jüdischen Lebens im | |
> Grindelviertel | |
taz: Frau Harff, das Grindelviertel gilt als das ehemalige „Klein | |
Jerusalem“. Wie viel jüdisches Leben gibt es dort heute noch? | |
Christine Harff: In letzter Zeit gibt es wieder mehr jüdisches Leben im | |
Viertel. Seit 2002 ist die Talmud-Tora-Schule wieder im Eigentum der | |
jüdischen Gemeinde. Diese hat dort ihr Zentrum, eine Schule und einen | |
Kindergarten. Aber das Viertel hat natürlich nicht den gleichen Charakter | |
wie vor dem Krieg. | |
Wurden die Institutionen jüdischen Lebens in der Zeit des | |
Nationalsozialismus allesamt zerstört? | |
Die allermeisten. Die große Bornplatz-Synagoge ist in der Pogromnacht | |
geschändet worden und musste dann ein Jahr später auf Kosten der Gemeinde | |
abgerissen werden. Es gab eine Synagoge in der Heinrich-Barth-Straße, die | |
zu Wohnraum umgebaut wurde. Die Dammtor-Synagoge ist gegen Kriegsende durch | |
Bombenangriffe zerstört worden. Nach dem Krieg ist eine Straße, die sehr | |
mit dem jüdischen Leben im Grindelviertel verknüpft war, zugunsten des | |
Uni-Campus abgerissen worden. Daran erinnert inzwischen ein Wandbild. | |
Was passierte mit den jüdischen Bewohnern in der Nazizeit? | |
Das war ein sich steigernder Prozess, der mit der Entrechtung und der | |
Vertreibung aus allen öffentlichen Bereichen begann und mit Deportationen | |
endete. | |
Welche Spuren sind noch sichtbar? | |
Sichtbar sind die Stolpersteine im Viertel. Das Gebäude des Tempels ist | |
erhalten geblieben und beherbergt heute das NDR Studio in der Oberstraße. | |
Die Kammerspiele befinden sich im ehemaligen jüdischen Logenhaus. Neben der | |
Talmud-Tora-Schule prägt der Platz, auf dem die große Bornplatzsynagoge | |
gestanden hat, das Viertel. Es hat auch einen jüdischen Friedhof gegeben, | |
der häufig überhaupt nicht wahrgenommen wurde. | |
Was ist das Ziel Ihrer Bildungsarbeit? | |
Dass das, was hier stattgefunden hat, nicht vergessen wird. Was in der | |
Erinnerungskultur leicht passiert, ist, dass das jüdische Leben idealisiert | |
dargestellt wird. Ich möchte gerne den normalen Alltag eines Zusammenlebens | |
in Verschiedenheit darstellen. Dazu gehören auch Konflikte. | |
Interview Tobias Brück | |
Rundgang durch das Grindelviertel: 17 Uhr, Dammtorbahnhof, Ausgang | |
Theodor-Heuss-Platz | |
19 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Tobias Brück | |
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