# taz.de -- Drogen nehmen mit Facebook | |
> Druff Auf Facebook tauschen DrogenkonsumentInnen sich aus. Die | |
> Drogenbeauftragte macht das Netzwerk verantwortlich, Drogenberater | |
> warnen, aber es gibt auch Vorteile | |
Bild: Populärer Paranoiaproduzent: Crystal Speed | |
von Christoph Kürbel | |
Die Pupillen sind geweitet. Die Iris ist kaum noch zu sehen. Der Kiefer | |
macht Faxen. Maria ist live bei Facebook. In der Gruppe „Druffi Singles (ab | |
18 Jahren)“ hat sie schnell viele Zuschauer, die ihr die Langeweile in der | |
sächsischen Provinz vertreiben. Schließlich sind über siebzehntausend Leute | |
angemeldet. | |
In der geschlossenen Gruppe tauschen sich Druffis, also Leute, die drauf | |
sind, auf Substanzen, lebhaft über ihren Konsum aus. Marc B., der die | |
Gruppe im Juni 2016 gegründet hat, als er gerade Freigang hatte, will die | |
Druffis zusammenbringen. Zehn Monate war er im Gefängnis, weil er mit | |
Ecstasy und Cannabis gehandelt hat. Der Vierzigjährige hat bis auf Heroin | |
„jahrelang eigentlich alles genommen“. Jetzt ist er clean. Als er die | |
Gruppe gegründet hat, sei sie als Singlebörse für Drogenkonsumenten geplant | |
gewesen. Mittlerweile aber prahlen viele Mitglieder mit ihrem Konsum, | |
tauschen sich aber auch aus über Substanzen und über mögliche Gefahren. | |
„Guten Morgen Sex auf Drogen ist eh geil .:-) Mit welchen ist es am | |
geilsten?¿“, schreibt ein Nutzer, der sich „Laber Nit“ nennt. Die | |
einhellige Meinung: Ecstasy, MDMA und „ne graslatte steht 3 Tage“, schreibt | |
Sören. Doch in der Gruppe wird der Konsum nicht nur verherrlicht. Ein | |
Nutzer postet ein Foto von einer roten runden Pille und fragt nach den | |
Erfahrungen der anderen. Er erfährt, sie sei überdosiert und er solle damit | |
vorsichtig sein. Auf den Tipp „…Schmeiß es dir und du wirst es merken“ v… | |
Melanie, die in ihrem Profil mit ihrer kleinen Tochter posiert, reagieren | |
die Nutzer empört. Das sei der dümmste und unverantwortlichste Tipp. | |
„Nach Rat fragen vor allem die jungen Leute, die, die gerade 18 sind“, | |
meint Gruppenadministrator B.. Ein absolutes No-Go sei für B. aber der | |
Handel mit Drogen. „Jede Anfrage wird sofort gelöscht und der Nutzer | |
blockiert.“ Was die Druffis aber in privaten Nachrichten machen, könne B. | |
nicht kontrollieren. | |
Nina Pritzens von der Berliner Suchtberatung Vista hält es für sinnvoll, | |
dass sich Konsumenten über ihre Erfahrungen austauschen. „Das hängt aber | |
stark von der Qualität der Ratschläge ab“, so Pritzens. Thomas Gleissner | |
von der Caritas-Suchthilfe, die deutschlandweit aktiv ist, hält dagegen | |
auch die Konsumanleitung nur dann für sinnvoll, wenn Experten die Druffis | |
beraten. In solchen Foren sei die Verleitung, neue Drogen auszuprobieren, | |
ein Riesenproblem. | |
Pritzens spricht sich insbesondere für das sogenannte Drug-Checking aus. | |
Dabei können Konsumenten in Diskotheken oder auf Festivals ihre Drogen | |
testen lassen. Sie verlieren eine kleine Menge, können sich aber sicher | |
sein, was sie genau zu sich nehmen, und bekommen hilfreiche Tipps zur | |
Anwendung. In Zürich ist das bereits gängige Praxis. Die Drogenbeauftragte | |
der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), dagegen vertritt eine strikte | |
Abstinenzpolitik. „Wenn sich junge Erwachsene jetzt ihre eigene Filterblase | |
zum Konsum illegaler Drogen schaffen, ist das einfach nur traurig“, sagte | |
Mortler der taz. | |
In Berlin geht man das Problem anders an. Hier wird davon ausgegangen, dass | |
Drogenkonsum nicht zu verhindern ist. Die rot-rot-grüne Landesregierung | |
will gefährlichen Konsum verhindern und hat deshalb in ihrem | |
Koalitionsvertrag den Aufbau von Drug-Checking fest verankert. „Die Frage | |
ist nicht mehr, ob, sondern wie“, sagt dazu Thomas Isenberg, | |
gesundheitspolitischer Sprecher der Berliner SPD. Dass sich Menschen | |
untereinander austauschen, sei ganz normal. Wichtig sei aber, dass die | |
Betreiber solcher Foren sich professionell beraten lassen. | |
In der Innensicht der Gruppe präsentieren die Mitglieder sich selbst und | |
ihre Drogen ganz offen. Besitz und Konsum von Drogen sind zwar illegal, | |
aber ernsthafte Sorgen, dass eine Strafverfolgung drohen könnte, macht sich | |
eigentlich keiner. „Hey Leute Das Ist Eine drogengruppe. (Normal dass hier | |
auch Drogen gepostet oder konsumiert werden)“, schreibt Melanie K. „Es ist | |
die Verantwortung der Anbieter von Social Media, Grenzen zu setzen und | |
nötigenfalls gesundheits- und/oder jugendgefährdenden Inhalten keine | |
Plattform zu gewähren“, meint dazu die Bundesdrogenbeauftragte Mortler. Auf | |
eine Anfrage der taz zu „Druffi Singles (ab 18 Jahren)“ reagiert Facebook | |
nicht. Marc B. berichtet aber von gemeldeten Beiträgen, die Facebook im | |
Einzelfall gelöscht habe. | |
So sorglos wie die Druffis mit ihrer Identität und ihrem Konsum umgehen, so | |
ernst kann es in der Gruppe auch werden. Marc B. hat viele harte | |
Geschichten mitbekommen, seit er die Gruppe gegründet hat. Eine | |
heroinsüchtige Nutzerin begleitete er am Telefon bei ihrem kalten Entzug. | |
„Wenn ich nur einem helfen kann, ist schon viel getan.“ Dabei kann er die | |
Gründe gut nachvollziehen, aus denen Menschen zu Drogen greifen. Auch in | |
der Gruppe wird das diskutiert: „Warum konsumiert ihr eigentlich drogen? | |
Ich wegen den Glücksgefühlen, um (für) kurze zeit vergessen zu können und | |
um nichts schlechtes fühlen zu müssen“, gibt Chantal in die Runde. Die | |
Antworten sind vielfältig. „Um mich mit mir selber zu konfrontieren. Um | |
raus zu finden wo mein ,Inneres‘, Unbewusstes endet und wo mein Ego | |
anfängt“, schreibt Cedric. Lothar schreibt: „Ich bin durch einen blöden | |
Zufall einfach reingerutscht und habe es bis jetzt nicht mehr geschafft | |
davon rauszukommen.“ Facebook wird ihm dabei nicht helfen. | |
26 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Christoph Kürbel | |
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