# taz.de -- Bremer Lektüre: Matthias Beilken über „Schiffsschwein Spekje“… | |
Meist lebt Rega Kerner an Bord eines Wohnschiffes in Vegesack. Jetzt hat | |
sie ein Buch über das Problem veröffentlicht, ein Bordschwein auf einer | |
frachtfahrenden Schute zu halten. Es ist eine Erzählung, fast schon ein | |
Roman. Aber nicht nur das Leben auf dem Schiff entspricht Kerners | |
Wirklichkeit. Auch die Schweinegeschichte ist wahr, wie bei einem Besuch | |
auf der „Noortje“ zu erfahren ist. | |
Das lange Deck des antiken Fischerschiffs hat etwas Majestätisches. „Aber | |
von hier oben habe ich einen toten Winkel von einem Kilometer voraus“, | |
mahnt Kerner. Als Steuermännin mit Patent hat sie oft lange Stahlkähne in | |
Schleusen gezirkelt, mit an jeder Bordwand nur einer Handbreit Platz. So | |
war es auch damals, als sie ein Schwein rettete, das hilflos in der | |
Schleusenkammer trieb. | |
Sie rettete das Tier, bot dem Minischwein an Bord eine Heimstatt und wurde | |
so versehentlich zur Schweinefreundin. Weil die private Haltung von | |
Schweinen ein Riesenproblem mit vielen Grauzonen ist und auch seitens der | |
„Züchter“ viel Schmuh betrieben wird, gibt es sogar einen Verein, dem Rega | |
Kerner beitrat: Schweinefreunde e. V. Der setzt sich dafür ein, dass auch | |
Schweine Rechte haben. | |
Während sie locker-flockig von ihrer Schweineleidenschaft erzählt, holt | |
Kerner die „Hausordnung“ aus einem Regal an der Stahlwand des zur Wohnstube | |
umgebauten Frachtraumes unter Deck und pocht damit ein wenig auf dem | |
Bohlentisch herum. Um eine minikleine nietenbesetzte Keule handelt es sich, | |
mit eingesetztem Bieröffner, auf deren Griff „Hausordnung“ steht. Außerdem | |
erzählt sie davon, wie sie quasi aus Versehen von einer Theater-AG in die | |
Medienwelt gerutscht ist, weil sie die damals neuartige Technologie der | |
Arbeit mit Video und Kamera besser verstand. Nach dem Abi wurde sie in | |
diesem Fach zu einer ziemlichen Spezialistin, betreute und leitete | |
Projekte, schulte LehrerInnen und gründete Bremens „Filmclub 7“ mit. Mit | |
Videofarben konnte sie zaubern. Ihre Karriere führte sie nach New York und | |
nach Polen. | |
Dabei blieb ihr Brotberuf als Binnenschifferin und die große | |
Kapitänskarriere erst mal auf der Strecke, letzteres kurioserweise weil sie | |
das Abi hat: Ein im Zweifelsfall zu schlaues Mädchen, das war den | |
Binnenschiffern suspekt. Es blieben Fahrensjahre mit selbst erbüffelten | |
Patenten auf dem Tanker ihres damaligen Lebensgefährten. Sie als | |
Vegetarierin, er als Kapitän nicht. Obwohl auch er Schweinefreund war: Er | |
hielt massenhaft Schweineteile in Folie verpackt, Rasse Deutsches | |
Edelschwein – in der Tiefkühltruhe. Mit an Bord waren außerdem zwei Hunde. | |
Der Sohn des Tankerkapitäns hielt in seiner Kammer im Bug außerdem einen | |
Papagei. | |
In diese Familie hinein wurde das Bordschwein Spekje quasi weggefunden und | |
davon handelt Kerners Erzählung. Und auch davon, dass selbst ein | |
„Minischwein“ nach einiger Zeit 100 Kilo wiegt, schweineschlau ist und über | |
einen gewissen Eigensinn verfügt. Hunde haben Herrchen, heißt es, Katzen | |
Diener – und Schweine Kameraden. Und zu einem Kamerad wurde Regas Schwein | |
dann auch, fasste zuverlässlich eigene Entschlüsse: „Wenn mein Schwein von | |
A nach B wollte, war der kürzeste Weg eine Linie. Und wenn auf der Linie | |
ein Stuhl stand …Pech für den Stuhl.“ | |
Notwendigerweise vertrug sich die Schweinehaltung später nicht besonders | |
gut mit der Anwesenheit eines Kleinkindes. Selbst dann nicht, als Rega | |
Kerner von Bord ging und in eine Wohnung wechselte, die kleine Tochter | |
dabei. Ergo „wohnt“ Spekje jetzt woanders und die Schifffahrt ist zurzeit | |
lediglich ein Hobby, das zur Inspiration gereicht. Ihre blaue „Noortje“, | |
Baujahr 1928 in Danzig, Umbau 1946 in Amsterdam, dampft kaum mehr als | |
einmal im Jahr. „Weiter als nach Brake fahre ich mit der auch nicht mehr.“ | |
Dafür nimmt sie immer mehr LeserInnen mit – als imaginäre Gäste, die dem | |
wohl einzigen Minischwein, das je auf einem Hausboot groß wurde, beim | |
Aufwachsen zusehen dürfen: Der Isensee-Verlag hat Kerners Schweinestory | |
liebevoll ediert. | |
[1][Rega Kerner: „Schiffsschwein Spekje]“, Isensee-Verlag, 240 S., 12,90 | |
Euro | |
15 Apr 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.schiffschwein.de/ | |
## AUTOREN | |
Matthias Beilken | |
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