| # taz.de -- „Den Kapitalismus hinterfragen“ | |
| > Klimaschutz IIIKlaus Wazlawik engagiert sich seit 25 Jahren in | |
| > Treptow-Köpenick für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Dafür bekam er | |
| > das Bundesverdienstkreuz. Ein Gespräch über Ehrenamt und Werte | |
| Bild: Bundesverdienstkreuz für 25 Jahre Engagement in der nachhaltigen Stadten… | |
| taz: Herr Wazlawik, Sie setzen sich seit Beginn der Lokalen Agenda 21 im | |
| Bezirk Treptow-Köpenick für Nachhaltigkeitsprojekte ein – sogar verstärkt, | |
| seitdem Sie 2005 in Rente gegangen sind. Warum haben Sie nicht einfach die | |
| Beine hochgelegt? | |
| Klaus Wazlawik: 2004 hat das Ganze ja einen neuen Drive bekommen, denn da | |
| wurde das Nachhaltigkeitsprogramm Lokale Agenda 21 in Treptow-Köpenick vom | |
| Bezirksamt beschlossen und der Bezirksverordnetenversammlung bestätigt. Ein | |
| toller Erfolg nach zehn Jahren Vorbereitung. Da ging es für mich erst | |
| richtig los, und weil ich dann in Rente ging, konnte ich mich sogar in | |
| Vollzeit darum kümmern. Ich habe dann einfach ganz normal weitergearbeitet. | |
| Und ganz ehrlich gesagt, hat mir das auch einfach sehr viel Spaß gemacht. | |
| Macht es bis heute. | |
| Waren Sie Einzelkämpfer auf weitem Feld? | |
| Nein, da waren natürlich viele Menschen dran beteiligt – wobei eben viele | |
| andere eher zeitweise mitgeholfen haben. Der Rückhalt im Bezirk war immer | |
| sehr groß, zum Beispiel durch die ökumenische Initiativgruppe „Eine Welt“. | |
| Um was geht es Ihnen, wenn Sie so viel Zeit investieren? | |
| Den Klimawandel aufzuhalten ist ohne die Zivilbevölkerung nicht machbar. | |
| Die Fortschritte, die auf technischer Seite gemacht werden – erneuerbare | |
| Energien zum Beispiel –, können nicht mit Sicherheit das Ziel garantieren, | |
| das wir eigentlich erreichen müssen. Es ist unabdingbar, dass wirklich | |
| jede*r Einzelne ihr*sein Verhalten hinterfragt. Viele bremsen mich da immer | |
| aus: „Das kann man so nicht sagen.“ Aber schauen Sie: Wir meinen plötzlich, | |
| wir müssten mit Kreuzfahrtschiffen fahren, und nach ein paar Jahren denkt | |
| man, man könne ohne Kreuzfahrtschiff nicht mehr leben. Das stimmt nicht. | |
| Hat unser Verhalten denn überhaupt einen Effekt? | |
| Mit unserem Lebensstil bräuchten wir zwei bis drei Erdbälle, um | |
| zukunftsfähig zu sein – das bedeutet also, dass unser Lebensstil falsch | |
| ist. Deswegen müssen wir auch die globale Gerechtigkeit im Blick haben. | |
| Doch das in der Zivilbevölkerung klarzumachen, geht nicht einfach im | |
| Gespräch zwischen Nachbar und Nachbarin. Da braucht es Finanzierung und | |
| Strukturen, damit man langfristig die Werte verändern kann. | |
| Was meinen Sie damit konkret? | |
| Auf der einen Seite ist es die strukturelle Frage. Dass es zum Beispiel im | |
| Bezirk einen Beirat und Ausschüsse gibt, die sich darum kümmern. Es sollte | |
| klare Zuständigkeiten und Ansprechpartner*innen extra für nachhaltige | |
| Entwicklung geben. Auf der anderen Seite braucht es finanzielle Mittel, um | |
| Zentren und Büros zu schaffen. Diese könnten dann mit Rat und Tat die | |
| Nachhaltigkeitsprojekte auf Stadtteilebene unterstützen. Dadurch entstünden | |
| Leuchtturmprojekte, für die sich die Menschen interessieren. Man kann doch | |
| nicht der Bevölkerung sagen: „Jetzt verändert mal euer Bewusstsein!“, und | |
| sie gleichzeitig nicht fördern. Diese Erfahrung haben wir ja hier über 25 | |
| Jahre gemacht. | |
| Gibt es denn Menschen, die sich engagieren? Wie war das hier im Stadtteil? | |
| In den 90er Jahren waren wir in der privilegierten Position, dass wir die | |
| Aufbauzeit der Lokalen Agenda 21 über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen besetzen | |
| konnten. Es war damals völlig unproblematisch, fünf oder zehn Leute hier zu | |
| beschäftigen, die dann ein Jahr nichts anderes gemacht haben. Dadurch haben | |
| wir Stabilität reinbekommen. Das ist Anfang der 2000er mit der | |
| Hartz-IV-Reform zu Ende gegangen. Das heißt, uns sind plötzlich die Leute | |
| weggerannt, weil sie wieder Arbeit bekamen. | |
| Welche Folgen hatte das? | |
| Auf ein Mal blieb alles, was vorher ganz gut aufgestellt war, an | |
| Ehrenamtlichen hängen. Wir konnten dann weder ein Büro ausstatten noch | |
| Sachmittel bezahlen. Es gab niemanden mehr, der sich um Antragstellungen | |
| oder Ähnliches kümmern konnte. Das zeigt: Wenn Sie keine Finanzierung | |
| haben, gehen solche Aktivitäten einfach kaputt. Die verlaufen dann im | |
| Sande. In Treptow-Köpenick haben wir das Glück, dass wir von der | |
| Kirchengemeinde noch diesen Raum zur Verfügung gestellt bekommen, der so | |
| günstig ist, dass man sie zur Not auch privat finanzieren könnte. Sonst | |
| wäre die Nachhaltigkeitsarbeit hier gar nicht mehr möglich. | |
| Ehrenamt kann es also nicht alleine stemmen. Was braucht es zusätzlich? | |
| Wir müssen an unserer Wirtschaftsordnung kratzen. An unseren Werten. Um das | |
| mal ganz klar zu formulieren, denn das Drumherumreden bringt ja nichts: | |
| Geht es ums Geld – oder geht es um Ideale? Der Kapitalismus muss | |
| hinterfragt werden, denn wir können uns nicht mehr dieselbe persönliche | |
| Freiheit leisten wie noch in der Vergangenheit. Wenn unsere Werte wieder | |
| mehr in den Vordergrund rücken und jeder sein Handeln hinterfragt, kann man | |
| einen Wandel einläuten. | |
| Interview Fabian Franke | |
| 15 Apr 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Fabian Franke | |
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