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# taz.de -- Zwischendurch Kunst
> Kunstort In der Straße Sorgenfrei hinter dem Klinikum Mitte ist die Kunst
> zu Gast. Zusammen mit der Schwankhalle ist hier künstlerische
> Zwischennutzung entstanden
Bild: Der einzige unbespielte Raum sieht selbst fast schon nach Kunst aus: Dach…
von Vanessa Reiber
„Bleiben Sie doch noch, es gibt gleich Würstchen“, sagt ein Mann, als ich
die dicke Decke von den Schultern nehme und aufstehe. Ein verlockendes
Angebot, aber trotzdem verlasse ich die Andacht der fiktiven
Glaubensgemeinschaft „Church of the Hand“. Es ist einfach zu warm, mit etwa
15 anderen Menschen, eingehüllt in dicke Decken, zusammengedrängt in einem
engen Raum, einem Wasserkocher beim Kochvorgang zuzusehen. Über zwölf
Stunden lang.
Diese Performance, die Fragen zur Sakralisierung aufwerfen sollte, war
Auftakt des Projekts „Sorgenfrei 1“. Von März bis Juni wird das erste Haus
in der ruhigen Hulsberger Nebenstraße Sorgenfrei
künstlerisch-wissenschaftlich zwischengenutzt. „Alle Interventionen
gruppieren sich um den Begriff der Sorge“, sagt Pirkko Husemann, Leiterin
der Schwankhalle.
In ein- bis vierwöchigen Recherchen beschäftigen sich die KünstlerInnen und
WissenschaftlerInnen mit dem verwinkelten Haus, seiner Geschichte und der
Umgebung. „Das Haus hat mit der Pathologie, einem Übergangswohnheim und der
Recyclingstation groteske Nachbarn“, so Husemann. Sorgen um Angehörige, die
Sorge der Anwohner und Entsorgung seien somit allgegenwärtig. Der größte
Nachbar der Hausnummer 1 ist das Klinikum Mitte. Formal gehört das Haus
sogar der Klinik. Bis vor wenigen Jahren haben noch Angestellte der Klinik
in den 13 kleinen Zimmern gewohnt.
Ihr Spuren sind noch allgegenwärtig: Fensterbilder, eine Kinderzeichnung,
Tapeten und Teppiche erinnern an vergangene Zeiten. Bis auf eine alte
Dachkammer steht das Haus leer und kann von den KünstlerInnen umgestaltet
werden. In dieser Kammer stehen noch alte Möbel und ein Kachelofen. „Der
Raum hat einen ganz besonderen Charme, deswegen haben wir ihn inklusive
Spinnenweben im Urzustand gelassen“, sagt Husemann.
Durch den Umbau des Klinikums entsteht eine 14 Hektar große Fläche, die in
den kommenden Jahren zu einem städtischen Quartier umgebaut werden soll.
Aus 30 Bewerbungen wählte eine Jury, in der auch eine Anwohnerin und eine
Mitarbeiterin des Klinikums saßen, wer sich über die kommenden Wochen in
dem vierstöckigen Haus mit den kleinen Zimmern ausbreiten darf: fünf Ideen,
die über die kommenden Wochen umgesetzt werden.
„Was genau entstehen wird, wussten wir bei der Auswahl auch nicht“, sagt
Husemann. Es ist noch offen, was die überwiegend bildenden KünstlerInnen am
Ende präsentieren werden. Die Ideen entstehen vor Ort. Am zweiten
Aprilwochenende präsentieren die Klangkünstlerin Miriam Akkermann und
Regisseurin Sandra Schüddekopf das Projekt „Senbazuru“. Um herauszufinden,
was Menschen wünschen, haben die beiden BremerInnen zu Gesprächen bei
Kaffee und Kuchen eingeladen. Außerdem versuchen sie sich an der
japanischen Tradition des Senbazuru. Wem es gelingt, 1.000 Papierkraniche
zu falten, soll ein langes und glückliches Leben widerfahren.
Auch hier ist das Ergebnis noch offen – am Mittwoch waren immerhin 400
Kraniche gefaltet. Sicher ist hingegen, dass bei dem geplanten
Live-Hörspiel das Haus selbst eine Stimme bekommen soll: Der Schauspieler
Volker Muthmann spricht die Gedanken des Gebäudes, das nicht weiß, was
weiter passieren wird.
Das erste wissenschaftlich-künstlerische Tandem präsentiert sein Projekt in
der kommenden Woche: Die Philosophin Anne Eusterschule und Stimm- und
Videokünstlerin Rebekka Uhlig beschäftigen sich mit den verschiedenen
Facetten der Sorge. Ihre Fundstücke und Beobachtungen wollen sie mit Klang-
und Videoinstallationen zeigen.
Husemann ist wichtig, dass ein Projekt von BremerInnen für BremerInnen
entsteht. Neben der Einbindung der Nachbarschaft und der Klinik gibt die
Schwankhalle deswegen auch Bremer KünstlerInnen die Möglichkeit, an
„Sorgenfrei 1“ mitzuwirken. Im Juni wird die Zeit der Zwischennutzung
deshalb mit Bremer Projekten abgeschlossen: Die Hochschule für Künste und
die Musikgruppe „Spröde Lippen“ werden sich dann in dem kleinen Haus
ausleben.
Live-Hörspiel „Senbazuru“: 8. und 9. April, 18 bis 21.30 Uhr, Beginn alle
30 Minuten
Lecture Performance „Sorgenanstalten“: 13. April, 18 Uhr, 14. April, 10 bis
14 Uhr
Weitere Programmpunkte auf www.schwankhalle.de
8 Apr 2017
## AUTOREN
Vanessa Reiber
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