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# taz.de -- nord.thema: Tapes gegen Bauchschmerzen
> Klebkram Bisher nutzten vor allem Spitzensportler die bunten
> Klebestreifen: Kinesio-Tapes sollen Muskelschmerzen lindern. Mit einer
> Kombination aus Taping-Verfahren und Akupunktur-Techniken wollen Kieler
> Ärzte nun zahlreiche Beschwerden lindern
Bild: Hat die bunten Klebestreifen weltweit populär gemacht: Fußball-Star Mar…
Ein Stechen zieht durch den Rücken, das Knie drückt und die Schulter fühlt
sich steinhart an. Der Besuch beim Orthopäden oder Physiotherapeuten soll
Abhilfe schaffen. Dort liegen sie, die knallbunten Streifen in Pink, Türkis
oder Rot – so genannte Kinesio-Tapes. Profisportler wie der
italienisch-ghanaische Fußballspieler Mario Balotelli machten sie
weltberühmt. In den letzten Jahren prangen die bunten Klebestreifen
allerdings nicht mehr nur auf Rücken, Fußgelenk oder Nacken von
Topathleten, sondern zunehmend auch auf denen vieler
Durchschnittspatienten.
Kinesio-Tapes sehen nämlich nicht nur modisch aus, sie sollen vor allem
muskuläre Verspannungen lösen und Gelenkschmerzen lindern. Das Prinzip
dahinter ist denkbar simpel: Der Therapeut klebt dem Patienten die
elastischen Streifen auf die versehrten Körperstellen, dabei wird die
oberste Hautschicht, die Epidermis, angehoben. Auf diese Weise werden die
darunterliegenden Schmerzrezeptoren gereizt, das Blut kann so besser in die
verletzten Regionen fließen. Je nachdem, wie die Streifen angelegt sind,
wird die Muskulatur anschließend entspannt oder angespannt.
Entwickelt wurde das Kinesio-Taping 1973 vom japanischen Chiropraktiker
Kenzo Kase. Seine Idee dahinter war, eine Methode hervorzubringen, bei der
muskuläre Beschwerden oder Gelenkschmerzen ohne Medikamente gelindert
werden können. Vor allem aber sollte die Mobilisierung des
Bewegungsapparates im Vordergrund stehen. Denn bisher wurden Gelenk und
Muskulatur, etwa bei einer Sportverletzung, mithilfe von Stützbandagen oder
Tape-Verbänden ruhiggestellt. Diese unelastischen Bänder lösten allerdings
bei manchen Patienten Blockaden aus und behinderten somit den
Heilungsprozess. Kinesiologische Tapes hingegen bestehen aus fein gewebter
Baumwolle, wodurch sie elastisch und atmungsaktiv sind. Die natürliche
Bewegung wird somit nicht eingeschränkt, vielmehr wird die Muskulatur
permanent massiert, wie bei einer Bindegewebsmassage.
Aber: „Kinesio-Taping ist in erster Linie eine Hauttherapie“, sagt Sascha
Seifert, therapeutischer Leiter des ambulanten Sportrehabilitationszentrums
Rehamed in Kassel. „Sie erreichen nie wirklich den Muskel.“ Seifert
arbeitet seit über 20 Jahren als Physiotherapeut, absolvierte auch eine
Ausbildung in Kinesio-Taping bei Kenzo Kase. Dieser habe ihm immer gesagt,
das Taping „solle helfen, die Selbstheilungskräfte im Körper anzuregen“.
Dennoch habe Kase seine Methode stets als Ergänzung zu den etablierten
Verfahren gesehen. „Das Taping allein ist kein Allheilmittel. Es ist eine
Option“, sagt Seifert. „Es sollte mit einer physiotherapeutischen Anwendung
kombiniert werden.“
So weit, so gut. Nun allerdings haben die Ärzte Hans-Ulrich Hecker und Kay
Liebchen aus Kiel ein neues kinesiologisches Verfahren entwickelt, mit dem
fortan auch internistische Erkrankungen behandelt werden sollen: das
Aku-Taping, eine Kombination aus Kinesio-Taping und Akupunktur.
Bauchschmerzen sollen demnach einfach weggeklebt werden.
Hecker, der auch im Bereich der traditionellen chinesischen Medizin (TCM)
arbeitet, kam vor einigen Jahren auf die Idee, seine Erfahrungen aus der
TCM mit denen aus dem Taping zu verbinden. Für dieses Vorhaben hätten sich
gerade Akupunktur und Akupressur angeboten, denn: „Auch mithilfe von Tapes
können gezielt Akupunkturpunkte gereizt werden“, sagt Hecker. „Im Prinzip
können Sie alles, was mit Akupunktur behandelt wird, auch mithilfe von
Aku-Taping behandeln.“
Neben viszeralen Beschwerden wie Bauchschmerzen sei die Methode zum
Beispiel genauso bei rheumatischen oder asthmatischen Problemen wirksam.
Der Vorteil gegenüber der konventionellen Akupunktur, bei der mit kleinen
Nadeln gearbeitet wird, sei, dass die Patienten auch in der therapiefreien
Zeit die Akupunkturpunkte mittels der Tapes stimulieren könnten. Zudem
könnten sie sich die Streifen zu Hause selbst aufkleben. Dazu haben die
Kieler Ärzte ein Anwendungsbuch geschrieben, in dem die Meridiane
aufgezeigt werden, also die Leitbahnen, in denen laut TCM die Lebensenergie
fließt. Komme man an gewisse Punkte, etwa am Rücken, selbst nicht heran,
müsse eben der Partner oder ein Freund dabei helfen, so Hecker.
Sind Laien jedoch wirklich dafür geeignet, um die richtigen Punkte zu
finden? Sascha Seifert ist da eher skeptisch. „Wenn man die Tapes mit zu
viel Zug und an die falschen Stellen aufklebt, können mehr Schmerzen
entstehen“, sagt er. „Aber in den meisten Fällen funktioniert ein Tape, das
man selber anlegt, ohnehin nicht vernünftig.“ Deshalb solle man das Kleben
besser einem ausgebildeten Therapeuten oder Arzt überlassen.
Dass die Tapes über die Akupunkturpunkte wirken kann, hält Seifert hingegen
durchaus für möglich. Auch beim Kinesio-Taping würden Akupunkturpunkte
überklebt, wenn auch nicht gezielt. „Das lässt sich überhaupt nicht
vermeiden“, sagt er. Das Aku-Taping sei daher grundsätzlich nichts Neues,
vielmehr sei es eine andere Herangehensweise an das gleiche Thema.
Über die tatsächliche Wirksamkeit der verschiedenen Taping-Verfahren ist
allerdings wenig bekannt. Bisher gibt es keine wissenschaftlichen Studien,
die das Aku-Taping überhaupt untersuchen. Auch über das Kinesio-Taping gibt
es wenige fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse. Also alles nur Humbug?
„Es ist keine Wunderheilmethode“, sagt Hans-Ulrich Hecker. „Aber man kann
es zumindest ausprobieren und schauen, ob es sich positiv auf den Körper
auswirkt.“ Anders als etwa bei einer medikamentösen Behandlung, würden
hierbei zumindest keine Nebenwirkungen auftreten. Bei manchen Patienten
seien zum Beispiel allergische Reaktionen auf die Tapes aufgetreten. Vor
allem bei sehr kostengünstigen Tapes, die von Billiganbietern im Netz, aber
auch im stationären Handel vertrieben werden, sei die Allergiequote
deutlich höher als bei etwas hochwertigeren Tapes. Problematisch ist dabei
meist der Acrylkleber, der sich in seiner Qualität je nach Anbieter
unterscheidet. Wichtig ist daher, dass das kinesiologische Tape eine
CE-Kennzeichnung aufweist und somit EU-Verordnungen unterliegt.
Mindestens sieben Euro sollte in eine Rolle investiert werden, sagt Hecker.
Diese muss der Patient allerdings selbst bezahlen, genauso wie die
Behandlung an sich. Denn bei dem kinesiologischen Taping handelt es sich um
eine sogenannte Igel-Leistung, also einer individuellen
Gesundheitsleistung. Dadurch, dass die Wirkung des Verfahrens nicht
ausreichend belegt ist, erstatten Krankenkassen die Kosten dafür nicht.
Von einer Taping-Behandlung generell abraten würde Hecker übrigens
Patienten mit Hauterkrankungen oder einer akuten Thrombose. Für alle
anderen gelte: „Einfach mal ausprobieren. Wenn das Aku-Taping nach vier
oder fünf Anwendungen nicht anschlägt, kann man damit auch wieder
aufhören.“ Anna Gröhn
25 Mar 2017
## AUTOREN
Anna Gröhn
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