# taz.de -- Außenpolitiker und kein Pastor | |
> Vereidigung Frank-Walter Steinmeier ist als neuer Bundespräsident | |
> vereidigt. In seiner Antrittsrede forderte er vom türkischen Präsidenten | |
> die Freilassung von Deniz Yücel | |
Bild: Neue Töne aus dem Schloss Bellevue: Steinmeier nach seiner Vereidigung | |
Aus Berlin Christoph Kürbel | |
Die Kuppel des Reichstag ist an diesem Mittwoch für Besucher gesperrt. Die | |
kräftige Frühlingssonne fällt in den voll besetzten Plenarsaal. Kanzlerin | |
Angela Merkel sitzt auf der Regierungsbank. Bundestagspräsident Norbert | |
Lammert sagt mit Verweis auf den 130. Geburtstag Kaiser Willhelm I., das | |
Kaiserwetter sei bestellt. Bei festlicher, aber lockerer Atmosphäre legt | |
Frank-Walter Steinmeier, der bereits am vergangenen Sonntag sein Amt als | |
zwölfter Bundespräsident Deutschlands angetreten hatte, seinen Amtseid ab. | |
„So wahr mir Gott helfe“, spricht er auch den religiösen Zusatz. | |
Gleich zu Beginn seiner Rede warnt der ehemalige Außenminister vor einer | |
„neuen Faszination des Autoritären“, die tief in Europa eingedrungen sei. | |
Das sei eine „Flucht in die Vergangenheit“. Die Zukunft dagegen sei | |
„überwältigend ungewiss“. | |
Steinmeier wendet sich direkt an einen Autoritären. Der türkische Präsident | |
Recep Tayyip Erdoğan zerstöre das, was die Türkei in den letzten 30 Jahren | |
aufgebaut habe. Eindringlich forderte er Erdoğan auf, den „Rechtsstaat und | |
die Freiheit von Medien und Journalisten“ zu respektieren: „Geben Sie Deniz | |
Yücel frei!“ | |
Aber auch innerhalb Europas werde die Demokratie immer wieder angegriffen, | |
warnte Steinmeier. Ein „Feuerwerk von Feindbildern“ diene den Populisten, | |
Ängste zu schüren. Damit reklamierten sie für sich den Satz: „Wir sind das | |
Volk!“ Auf einer Veranstaltung in Dresden habe er ein Banner von jungen | |
Aktivisten gelesen, auf dem stand: „Nö, wir sind das Volk!“ Steinmeier lobt | |
diesen Ausspruch und plädiert dafür, „vielstimmig“ dagegenzuhalten. Die | |
einfachen Antworten der Populisten seien „in der Regel keine Antworten“. | |
Hier wird der neue Bundespräsident zum Innenpolitiker. Denn die Spaltung, | |
die Populisten herbeiredeten, betreffe auch das Vertrauen in die | |
wirtschaftliche Ordnung in Deutschland. Eine Debatte über Bonuszahlungen in | |
großen Unternehmen dürfe nicht leichtfertig als Neiddebatte abgestempelt | |
werden, forderte Steinmeier. | |
Die Demokratie sei eine Herrschaft auf Zeit und biete daher nur Lösungen | |
auf Zeit. Sie erlaube Fehler, die aber durch Selbstreflexion behoben werden | |
könnten. Er werde zwar ein überparteilicher, aber kein „neutraler“ | |
Präsident sein, sondern „parteiisch für die Sache der Demokratie“. Sie le… | |
von der Kultur des Streits, der aber nur auf der Basis von Fakten | |
stattfinden könnte und nicht auf der von Lügen. Dazu müsse man raus aus den | |
Echokammern des Netzes und mal wieder „den Kopf vom Smartphone“ heben. | |
Gegen Ende seiner Rede ist Steinmeier wieder ganz der alte Außenminister. | |
Die Menschen in autoritären Ländern sähen in Deutschland einen Anker für | |
Freiheit und Demokratie. Sie setzten ihre Hoffnungen daher auch in die | |
Bundesrepublik, die der Angst der Populisten den „Mut der Demokraten“ | |
entgegensetze. | |
Der pastorale Tenor Joachim Gaucks ist abgelöst worden von dem nüchternen, | |
sachlichen Blick Steinmeiers, der zwar nicht mitreißt, aber klar Partei | |
ergreift für die Demokratie. | |
23 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Christoph Kürbel | |
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