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# taz.de -- Sehnsucht nach dem Frühling
Bild: Goldfische für Nouruz in einem Geschäft in der iranischen Stadt Isfahan
Der Frühling kam immer mit gefärbten Eiern und grünen Gersten. Kurz vor
Nouruz, dem persischen Neujahrsfest, brachte meine Mutter einige
Hühnereier, machte ein kleines Loch oben und eins unten in die Schale und
blies dann ins obere Loch, bis die Flüssigkeit aus dem unteren herausfloss.
Danach waren die Eier bereit, gefärbt zu werden. Das machten meine
Schwester und ich, am liebsten mit Wasserfarben. Mama selber pflanzte
Gerstenkörner an, damit sie bis zum Fest grün sprossen. Unter vielen
anderen Bräuchen waren diese zwei Elemente für mich der Frühling. Mit ihm
beginnt auch ein neues Jahr. Der Zeitpunkt des Jahreswechsels, die
Tag-und-Nacht-Gleiche zu Frühlingsanfang, ist ein magischer Moment.
Man sagt, dass das, was man in diesem Moment macht, das ganze Jahr prägen
wird. Der Sonnenkalender legt den Zeitpunkt fest. Mitten in der Nacht,
vormittags oder abends – es kann immer sein. Ich fand den Jahreswechsel in
der Nacht oder früh am Morgen immer aufregender. Auf keinen Fall
verschlafen, sonst bleibt man das ganze Jahr schlafend. Ich nahm das als
Kind sehr ernst.
Irgendwann habe ich aufgehört, Eier zu färben. Irgendwann fieberte ich
nicht mehr auf diesen Moment hin. Auf der Suche nach der verlorenen Magie
wanderte ich kurz vor Nouruz auf den Straßen Teherans, um durch grüne
Gerste und Kresse, Hyazinthen, Goldfische in Gläsern und gefärbte Eier, die
zu dieser Zeit überall auf den Straßen zu kaufen sind, wieder begeistert zu
werden, um die Männer und Frauen vor und hinter den Fenstern zu beobachten,
die versuchten, noch den letzten Fleck von den Scheiben zu entfernen. Oder
die anderen, die hin und her eilten, Kuchen und Nüsse zu besorgen. Ich
wollte mich animieren, den Moment des Jahreswechsels wieder wahrzunehmen.
Und heute? Heute bleibt mir aus der Ferne nur noch eine Art dieser
Wahrnehmung, nämlich einfach darüber zu schreiben.
Bahareh Ebrahimi
In Iran beginnt das neue Jahr 1396 am Montag genau um 13:58:40 Uhr, in
Deutschland um 11:28:40 Uhr.
18 Mar 2017
## AUTOREN
Bahareh Ebrahimi
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