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# taz.de -- Die Klamotten der Marke Thor Steinar werden in China genäht und ge…
Fremd und befremdlich
KATRIN SEDDIG
In Hamburg-Barmbek ist vor Kurzem ein Thor-Steinar-Laden eröffnet worden.
Er heißt Nordic Company und ist in der Fuhlsbüttler Straße 157. Wenn man
vorbeigeht, um mal zu gucken, dann sieht man nicht viel. Die Fenster sind
zugeklebt, irgendwelche Männer beobachten einen.
Das Tragen von Kleidung der Marke Thor Steinar ist im Deutschen Bundestag
verboten. Seit 2008 gehört die Marke der Firma Al Zarooni Tureva in Dubai.
Seitdem, so erfährt man auf Wikipedia, wird die Marke von einigen
Neonazigruppen boykottiert. Letzteres ist schon auch ein bisschen lustig.
Verboten ist Thor-Steinar-Kleidung übrigens auch im Landtag
Mecklenburg-Vorpommerns und im Landtag von Sachsen.
Wie geht man jetzt damit um, in der eigenen Stadt, sogar im benachbarten
Viertel, und was bedeutet so ein Laden eigentlich? Auf der Website kann man
sich die Kollektion ansehen. Es gibt, zum Beispiel, ein rosa
Frauen-Winterset „Fraena“, bestehend aus Mütze und Schal. „Verziert ist …
Set mit schönen Bommeln und einem dezenten Metalllogo in Herzform.
Material: 100 % Acryl.“
Fraena ist übrigens eine Kommune in Norwegen. Der norwegische Staat hat
2008 Anzeige gegen die Marke Thor Steinar erstattet, weil auf vielen
Kleidungsstücken eine norwegische Flagge aufgenäht war. Der norwegische
Staat möchte offensichtlich nichts mit Thor Steinar zu tun haben.
Hergestellt wird die Kleidung allerdings in China und in der Türkei. Keine
fleißigen deutschen oder norwegischen Näherinnen haben das rosa Acrylset
gehäkelt.
In der Männerabteilung gibt es sehr viele Totenköpfe mit Flügeln, Flammen,
Gewehren und sehr, sehr viel Schrift. Die Kleidung ist übersät mit
Dekorativem. Wer mit Thor Steinar herumläuft, ist fast noch mehr
ausgeschmückt als der Mann, der in Camp David gekleidet ist.
Als mein Sohn noch in den Kindergarten ging, hatte er eine Phase, da trug
er auch gern solche fetzigen Dekorationen an sich. Die Klamotten kriegte
man damals bei H&M – in der Kinderabteilung.
Man kann sich natürlich sagen: Lass die doch. Die wollen, dass man sie
erkennt. Deshalb schreiben die sich das mit diesen Bildern und Botschaften
auf ihre T-Shirts und Pullover. Und wenn sie das nicht könnten, und müssten
leere Pullis anziehen, ganz ohne Muster und Runen und so Zeugs drauf, dann
wären sie ja leider immer noch Nazis. Lassen wir sie also doch da
einkaufen, dann treffen wir sie wenigstens nicht im Alsterhaus. Das Geld
geht in die Vereinigten Arabischen Emirate, das stärkt das Ausland. Aber
ist es richtig, so gleichgültig zu sein?
Gerade habe ich eine Diskussion verfolgt, wo es um die Frage ging, ob man
Hugendubel boykottieren sollte, weil sie Bücher des rechten Kopp-Verlags
vertreiben. In der Demokratie hat alles seinen Platz, was erlaubt ist.
Solange die NPD erlaubt ist, hat sie irgendwo einen dunklen, müffelnden
Platz in diesem Land. Bücher des Kopp -Verlags haben einen Platz, solange
sie nicht verboten sind. Das muss man sich immer klarmachen. Und dass wir
hier unsere Meinung äußern dürfen, in diesem Land, anders als in anderen
Ländern derzeit.
Wir sollten aber auch eine Meinung haben. Ein Unternehmer entscheidet
selbst, welche Produkte er verkauft und wem er sein Ladengeschäft
vermietet. Ich entscheide, ob ich mich gegen ein Bekleidungsgeschäft, in
dem sich die rechte Szene trifft, positioniere, laut und draußen.
Wir dürfen uns nicht auf die Demokratie verlassen, denn wir können sie nur
erhalten, indem wir sie auch nutzen. Wir sind verantwortlich, und wir haben
das Recht, wütend zu sein. Wir haben das Recht, für unsere Überzeugungen
einzutreten. Dieses Recht steht neben den Rechten der anderen, es
beschneidet sie nicht, und sie heben sich nicht gegeneinander auf. Ich
denke, dass es an der Zeit ist, kämpferischer zu werden.
Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen
Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Eine Nacht und alles“
ist bei Rowohlt Berlin erschienen.
15 Mar 2017
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