# taz.de -- Echte Hiebe | |
> SPITZENSPIEL Die Dortmunder Borussen müssen sich völlig auspowern, um | |
> ersatzgeschwächte Leipzigermit 1:0 zu besiegen. Derweil zeigen sich | |
> etliche Anhänger der Schwarz-Gelben von ihrer ganz üblen Seite | |
Bild: Yes!!! Aus Thomas Tuchel bricht es heraus, RB-Leipzig-Coach Ralph Hasenh�… | |
Aus DortmundFelix Meininghaus | |
Nach dem Schlusspfiff rastete Thomas Tuchel aus: Wie aufgezogen sprang | |
Dortmunds Trainer herum, ballte die Fäuste, drückte jeden, dessen er | |
habhaft werden konnte, und klatschte seine Mitstreiter ab. Schon nach dem | |
Treffer von Pierre-Emerick Aubameyang, der das Spiel entschieden hatte, war | |
der Schwabe wie von Sinnen auf den Rasen des Dortmunder Stadions gerannt. | |
So emotional hat man den 43-Jährigen noch nicht erlebt, seit er vor | |
eineinhalb Jahren beim BVB angeheuert hat. | |
Kein Zweifel, dieser Samstagabendkick in Dortmund war keine normale | |
Bundesligapartie, hier ging es um mehr: um den Prestigekampf Tradition | |
gegen Emporkömmling. Am Ende gewann die Borussia ein mitreißendes | |
Spitzenspiel gegen RB Leipzig hochverdient mit 1:0 (1:0). Dieser | |
Schlagabtausch wird in Erinnerung bleiben, weil er mit so viel Herzblut und | |
Leidenschaft geführt wurde. Entsprechend euphorisiert wirkte Tuchel nach | |
dem für ihn und den ganzen Verein so wichtigen Erfolgserlebnis: „Super | |
Spiel, tolle Energie, auf hohem Niveau verteidigt, überragend umgeschaltet, | |
leider den Deckel nicht draufgemacht.“ Alles in allem fühle sich diese | |
Vorstellung an „wie ein 4:0, verkleidet als 1:0“. | |
Tatsächlich bot der Revierklub alles, was ein echtes Spitzenteam | |
auszeichnet. Wenn man den fahrlässigen Umgang mit besten Tormöglichkeiten | |
einmal außen vor lässt. Allein Marco Reus hätte sich in die | |
Geschichtsbücher schießen können, vergab jedoch gleich drei Großchancen. | |
„Die muss ich alle machen“, sagte der Nationalspieler, „dann müssen wir | |
über Abseits nicht mehr reden.“ Reus spielte auf jene Szene in der | |
Nachspielzeit an, als der eingewechselte Federico Palacios wenige | |
Zentimeter zu weit vorne stand, weshalb sein Ausgleichstreffer keine | |
Anerkennung fand. | |
So durfte das Revier feiern, wieder einmal hatte Tuchel in einem | |
Spitzenspiel die richtigen Strippen gezogen, um sein Team zu einer | |
Topleistung zu pushen. Und das in Abwesenheit der Weltmeister Mario Götze | |
und André Schürrle, die 90 Minuten auf der Bank saßen. Allerdings zeigte | |
der fulminante Schlagabtausch auch, dass diese Dortmunder Mannschaft ein | |
Mentalitätsproblem hat. Während gegen hochkarätige Gegner wie Bayern | |
München, Real Madrid oder RB Leipzig mitreißende Darbietungen möglich sind, | |
fällt der Ligaalltag wie zuletzt bei den seltsam blutleeren Auftritten in | |
Bremen und Mainz deutlich schwerer. | |
Gedanken über die Einstellung muss sich Tuchels Kollege Ralph Hasenhüttl | |
keine machen. In Abwesenheit von so wichtigen Stammkräften wie den | |
erkrankten Timo Werner, Guido Demme und Marcel Sabitzer sowie dem | |
gesperrten Emil Forsberg leistete der Aufsteiger bemerkenswert viel | |
Gegenwehr. Hasenhüttl sprach seinem dezimierten Team ein „Riesenkompliment“ | |
aus: „So gebeutelt, wie wir heute waren, bin ich sehr stolz, wie sich die | |
Mannschaft präsentiert hat.“ Tatsächlich hinterlässt RB Leipzig einen solch | |
gefestigten Eindruck, dass es niemanden überraschen kann, sollten die | |
Überflieger bis in die Champions League durchstarten. „Ich glaube nicht“, | |
so Hasenhüttl, „dass eine Niederlage in Dortmund diese Mannschaft aus der | |
Bahn wirft.“ Jubel in Dortmund, nicht die Spur von Niedergeschlagenheit im | |
Lager der Leipziger: | |
Es hätte ein rundum gelungener Fußballabend im Ruhrgebiet sein können, | |
wären da nicht diese hässlichen Begleiterscheinungen gewesen. Wie | |
aufgeheizt die Atmosphäre war, konnten die Besucher bereits auf dem Weg ins | |
Stadion erleben. „Red Bull? Verpisst Euch! Der Fußball gehört uns!“, war | |
auf Plakaten zu lesen. Auch auf der Südtribüne machten sie aus ihrer | |
Abneigung gegenüber dem verächtlich genannten „Brauseklub“ keinen Hehl: | |
„Für den Volkssport Fußball – gegen die, die ihn zerstören“, stand da,… | |
noch eine Reihe von geschmacklosen, beleidigenden und doppeldeutigen | |
Bannern („Pflastersteine auf die Bullen“, „Schlachtet die Bullen“ etc.). | |
Leipziger Fans berichteten, sie seien mit Steinen und Dosen beworfen | |
worden, zudem habe es antisemitische Schmähungen gegeben. Die Dortmunder | |
Polizei sprach von „einer extremen Aggressivität und Gewaltbereitschaft der | |
Dortmunder Anhängerschaft gegenüber den Gästen“. Diese richtete sich „ge… | |
jede als Leipzig-Fan erkennbare Person, egal, ob es sich um kleine Kinder, | |
Frauen oder Familien handelte“. Schlimme Szenen spielten sich ab, die | |
Polizei verkündete insgesamt 28 Strafanzeigen wegen Verstößen gegen das | |
Sprengstoffgesetz, Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung, | |
Landfriedensbruch, Sachbeschädigung, Beleidigung, Widerstand sowie | |
räuberischen Diebstahls. Bei Borussia Dortmund, wo sie ihren Markenclaim | |
„Echte Liebe“ mit Stolz vor sich hertragen und sich vor jedem Heimspiel der | |
„besten Fans der Welt“ rühmen, haben sie ein massives Problem. Beim | |
börsennotierten Klub müssen sie sich damit beschäftigen, dass sich Teile | |
ihrer Anhängerschaft – wieder einmal – derbe danebenbenommen hat. „Wenn … | |
so ist“, sagte Thomas Tuchel, als er mit den Ausschreitungen konfrontiert | |
wurde, „trübt das den Erfolg natürlich.“ Am Sonntag teilte Geschäftsfüh… | |
Hans-Joachim Watzke mit, der BVB verurteile „diese Gewalt auf das | |
Schärfste“. | |
6 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Felix Meininghaus | |
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