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# taz.de -- Die Alte Dame hat den Winterblues
> Fussball Hertha gewinnt das erste Heimspiel nach der Winterpause gegen
> den FC Ingolstadt mit 1:0. Doch dem Verein fehlen die ZuschauerInnen:
> Nicht mal 34.000 zog es am Samstag ins Olympiastadion. Bei den nun
> anstehenden Spielen dürfte mehr los sein
Bild: Torschütze nach nur einer Minute: Genki Haraguchi in der Fankurve der He…
von André Anchuelo
Nebel, Nässe, Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt – nicht gerade
angenehme Bedingungen, um sich im zugigen Olympiastadion ein Fußballspiel
anzusehen. Das dachten sich am Samstag wohl auch wieder viele Hertha-Fans.
Mit 33.425 ZuschauerInnen war die Betonschüssel in Charlottenburg nicht
einmal zur Hälfte gefüllt, als der Bundesligist gegen den FC Ingolstadt zum
ersten Heimspiel nach der Winterpause antrat – und mit 1:0 gewann.
Seit Längerem fehlen dem Verein die Zuschauer. Dabei ist es gerade mal
sechs Wochen her, dass Hertha BSC als Tabellendritter das Jahr 2016
abschloss. Gegen Darmstadt 98 hatte das Team im achten Heimspiel den
siebten Sieg geholt. Doch bereits damals war der Zuspruch mehr als mau
gewesen. Nur 31.912 ZuschauerInnen hatten sich in das Stadion verirrt.
Allerdings spielten die Blau-Weißen da unter der Woche – was sich
erfahrungsgemäß ungünstig auf die Besucherzahl auswirkt.
Noch wichtiger: Die Partie fand nur zwei Tage nach dem islamistischen
Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz statt, bei dem
zwölf Menschen getötet und 55 verletzt worden waren. Manche
Hertha-ZuschauerInnen hatten wahrscheinlich schlicht Angst, eine
Massenveranstaltung zu besuchen. Anderen erschien es pietätlos.
## Patzer mit Tradition
Es gibt aber auch sportliche Gründe für den geringen Zuspruch. Vor dem
Darmstadt-Spiel hatte Hertha erstmals in dieser Saison zwei Partien in
Folge verloren. Nach der Winterpause kassierte der Verein nun erneut zwei
Pleiten: Sowohl in Leverkusen (1:3) als auch in Freiburg (1:2) setzte es
jeweils eine verdiente Niederlage.
Bei Hertha hat es inzwischen schon Tradition, den Rückrundenauftakt zu
verpatzen – in den vergangenen fünf Spielzeiten gelang kein einziger Sieg.
Und es sollte immer der Auftakt zu einer zweiten Saisonhälfte werden, in
der man vieles von dem verspielte, was man sich in der ersten Hälfte
erkämpft hatte.
Trotz eigentlich guter sportlicher Lage war man bei den Fans also
skeptisch. Und nun kam mit Ingolstadt ein Verein, der als Drittletzter
ähnlich wenig Attraktivität ausstrahlte wie vor der Pause Schlusslicht
Darmstadt. „Wir brauchen die Fans, das Team muss die Unterstützung spüren.
Ohne Zuschauer fehlt etwas, da macht das keinen Spaß“, hatte Trainer Pál
Dárdai im Vorfeld an die Fans appelliert. Das sollte zumindest quantitativ
wenig nützen.
Qualitativ war die Unterstützung durchaus zu spüren. Die Ultras in der
Ostkurve feuerten ihre Mannschaft nach Kräften an. Keine
Selbstverständlichkeit: Viele Fans liegen mit der Vereinsführung über
Kreuz. Seit Saisonbeginn hat sich bei ihnen eine Menge angestaut: Unmut
über falsche Trikotfarben, die Imagekampagne, die Nichteinbeziehung der
Fans bei der Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 125. Vereinsjubiläum, die
Diskussion über einen möglichen Stadionneubau im Brandenburger Umland – all
das veranlasste drei große Ultragruppen, den Dialog mit der Klubführung
einzustellen. Wie sich zeigte, gilt das nicht für die Unterstützung der
Mannschaft im Stadion.
Die sportlichen Ereignisse des Nachmittags sind schnell erzählt. Spötter
sagten hinterher: Bis zur 60. Sekunde war es ein gutes Spiel. Bereits zu
diesem Zeitpunkt nämlich erzielte Herthas Flügelspieler Genki Haraguchi
nach feiner Vorarbeit von Salomon Kalou den 1:0-Siegtreffer. Es war der
früheste Herthatreffer seit 14 Jahren und das erste Saisontor für den
japanischen Nationalspieler.
Das Problem: Damit hatte die Partie nach gerade mal einer Minute ihren
Höhepunkt schon hinter sich. Die Gastgeber konzentrierten sich hernach auf
eine stabile Defensive und vergeigten mehrere vielversprechende Konter. Der
Gegner aus Ingolstadt wagte wenig, kam dennoch zu einigen passablen
Torchancen, scheiterte aber entweder an Herthas gutem Torwart Rune Jarstein
oder am eigenen Unvermögen. All diejenigen, die nicht im Olympiastadion
erschienen waren, mussten sich jedenfalls nicht grämen – viel verpasst
haben sie nicht.
## Größere Kulisse
Nun kommen, wie es im Buch der Fußballphrasen so schön heißt, die Wochen
der Wahrheit. Schon am Mittwochabend spielt Hertha im Achtelfinale des
DFB-Pokals bei Borussia Dortmund. Am Samstag geht es in der Liga mit dem
Auswärtsspiel beim FC Schalke weiter, ehe im Olympiastadion zunächst der
Tabellenführer Bayern München und danach Herthas Tabellennachbar Eintracht
Frankfurt gastieren.
Wenn es schlecht läuft, könnten die Charlottenburger in den vier Partien
bis Ende Februar bereits alle Ambitionen für diese Saison verspielt haben.
Immerhin: Diese Spiele dürften vor wesentlich größerer Kulisse als zuletzt
stattfinden.
6 Feb 2017
## AUTOREN
André Anchuelo
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