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# taz.de -- Blutist ein Stimmungsaufheller
> SoundcollagenDie Norwegerin Jenny Hval spielt beim CTM Festival
Nicht jeder mag glücklich mit den vergangenen Jahren gewesen sein, doch für
Jenny Hval waren sie so produktiv wie erfolgreich. Nach „Apocalypse, Girl“
(2015) folgte im Herbst das Album „Blood Bitch“ (2016) – mittlerweile das
vierte als Solokünstlerin unter ihrem bürgerlichen Namen. Dabei begann ihre
Karriere als Musikerin bereits vor mehr als 18 Jahren als Sängerin der
Goth-Metal-Band „Shellyz Raven“. Erst seit Kurzem ist sie aber als explizit
feministische Künstlerin auf dem Radar der Musikwelt aufgetaucht.
Im Rahmen des CTM Festivals ist die Norwegerin jetzt in Berlin zu sehen und
zu hören – sie wird gemeinsam mit den Jazzmusikerinnen Heida Mobeck und
Anja Lauvdal von Skrap auftreten.
Hvals Metier sind experimentelle Popsongs, die nach wummernden Synthesizern
und Ambient-Soundfetzen klingen, zwischen Gesang und Spoken Word
changierend. In ihren Songtexten ist die 36-Jährige weit davon entfernt,
Bedeutungen festzuschreiben, sie umgeht sie mit sinnlicher Sprache und
macht dadurch Gefühle und Begehren erfahrbar. Ihre jüngsten beiden Alben
erinnern vom Aufbau an Filmszenen, da Hval sie wie Soundcollagen
zusammensetzt.
Bei „Blood Bitch“ übernahm sie ein komplettes Storytelling: Sie variiert
das Motiv der Apokalypse, widmet sich den Untoten. „Blood Bitch“ ist ein
Album über Vampire, wie sie in dem Song „The Great Undressig“ selbst
verrät. Im dazugehörigen Video spaziert die Protagonistin ganz ungeniert
durch die Stadt, fährt Rad, geht shoppen, feiern, ist nackt, während Hvals
Stimme über Konsum reflektiert. Sie erschafft darin für vier Minuten eine
Welt, in der Körperlichkeit, Intimität und Entblößung keine Rolle spielt.
Hval geht es in ihren Stücken immer um Kapitalismuskritik.
Auf „Blood Bitch“ dominiert ganz der rote Körpersaft – vom Blutdurst bis
zur monatlichen Blutung. Dennoch gelingt der Künstlerin aus Oslo ein
melodisches, ein softes Album, das von der stimmungsaufhellenden Wirkung
schon fast ins Easy Listening abdriftet. Und das trotz oder vielleicht
sogar wegen der wiederkehrenden Einflüsse aus ihrer Metal-Zeit. Von einer
„Investigation of Blood“, wie sie es nennt, würde man eigentlich nicht
erwarten, dass sie so leicht klingen kann.
Hvals Beziehung zu Musik kann man als „Conceptual Romance“ beschreiben, von
der sie ebenfalls singt. Kritische Stimmen meinen, ihr neustes Werk hätte
an Komplexität verloren, weil Menstruationsblut als Sujet zu platt sei –
doch der explizite Zugang machte sie von jeher aus. Soft Dick Rock hat sie
das gern genannt.
Zudem enttabuisiert Hval das Thema, nimmt (jungen) Frauen die Scham. „Blood
Bitch“ funktioniert in diesem Fall subtiler, als man es angesichts des
Titels meinen könnte, subtiler als zum Beispiel bei Fotoserien der
schwedischen Fotografin Arvida Byström, die durchblutete Höschen zeigt.
Hvals Sicht auf die Welt wurde durch Misogynie geprägt – in ihren Songs
münzt sie diese Erfahrungen in emanzipatorische Ambitionen um.
Natalie Mayroth
Live: Auf dem CTM Festival am 2. Februar im HAU1 „Fevour“ – Stine Janvin
Motland und Jenny Hval feat. Skrap ab 19 Uhr
2 Feb 2017
## AUTOREN
Natalie Mayroth
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