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# taz.de -- Plattenspieler Iranische Moderne ist, wenn der Teheraner Labelbetre…
Bild: Thomas Meinecke, Gastgeber von „Plattenspieler“
Der eine, Hamburger im bayerischen Exil, kam vom Alpenrand angereist; der
andere, ein Teheraner, nahm das Flugzeug aus Istanbul, wo er in den Nächten
zuvor noch im Studio gestanden hatte. Getroffen haben sich Thomas Meinecke,
61, und Ramin Sadighi, 49, zum gemeinsamen Plattenhören vor
Theaterpublikum. Ramin Sadighi betreibt seit 1999 das Label Hermes Records.
Seit neun Jahren veranstaltet der Schriftsteller Meinecke seine Reihe
„Plattenspieler“, zu der er Kulturschaffende einlädt und sich mit ihnen
über die Beweggründe ihrer Arbeit unterhält, während ihre Worte jeweils vom
Knistern der Schallplatten ablöst werden. Doch am Donnerstag vor
Weihnachten war es anders: Wie einen Zusammenstoß von zwei verschiedenen
Welten verstanden sich die beiden Musikliebhaber, die sich und dem Publikum
ihre liebsten Stücke vorspielten. Obwohl beide im deutschsprachigen
Kulturraum aufwuchsen und dem Jazz der Siebziger und Achtziger verfallen
sind. Das amüsante zweistündige Bühnenspektakel war eingerahmt von zwölf
Stücken, die zum Teil leider zu lang waren, um sie ganz zu hören, und
deshalb manchmal nur angeschnitten wurden.
Ramin Sadighi stieg mit moderner iranischer Klassik ein, die auch „Beyond
Jazz“ genannt werden kann: Das Duo Naqsh alias Golfam Khayam und Mona
Matbou Riahi waren mit Klarinetten und Gitarrenimprovisationen aus
Iranisch-Kurdistan und Baluchistan zu vernehmen. Es ist eine hauseigene
Produktion des Labelmachers, die außerhalb des Irans auf ECM Records aus
München vertrieben wird, da die Sanktionen gegen die Islamische Republik
auch Auswirkungen auf einfache Geschäftsleute haben. An Überweisungen komme
man nur über Umwege, die weitere Kosten einschließen, hat Sadighi in einem
Interview gesagt. Bis auf das vorletzte Stück, „Bidad“ von Mohammad Reza
Shajarian, das kurz vor der Revolution 1979 veröffentlicht wurde – und bei
dem Gesangspassagen aus Zensurgründen abgewandelt wurden –, blieb der Abend
vonseiten Sadighis aber wenig orientalisch geprägt.
Im Gegenteil: Sadighi brach etwaige Erwartungen an einen weltmusikalischen
„Shabe Irani“ – also einen iranischen Abend, in dessen Erwartung wohl
einige Diasporaangehörige ins HAU gekommen waren. Sadighi spielte
melodische Platten, die er mit persönlichen Erinnerungen verbindet, etwa
Chick Coreas „Return to Forever“, die er als Junge von seinem Onkel bekam,
aber auch Rock von Fink oder Radiohead sowie weitere
ECM-Veröffentlichungen. Dagegen hielt Meinecke mit östlich angehauchten
Stücken wie Embryos „After the Rain“, dem futuristischen Sahel Sound des
Nigrers Hama mit seinen Keyboardkünsten oder der US-amerikanischen
Jazzrockkünstlerin Annette Peacock. Peacocks „I’m the One“, rührte Mein…
gar zu Tränen, was sein Gegenspieler nicht verstehen wollte: „Wenn dich das
zum Weinen bringt, müssen wir noch einmal reden“, scherzte Sadighi.
Der „Plattenspieler“-Abend fand im Rahmen einer Kooperation des Hebbel am
Ufer, des Goethe-Instituts und weiterer Partner unter dem Titel „Die
iranische Moderne“ als Begleitprogramm zur Ausstellung „Teheran Sammlung“
statt: Ab Dezember sollten in Berlin Kunstschätze aus dem Keller des
Teheraner Museums für Zeitgenössische Kunst (TMoCA) mit rund 60 Werken
internationaler und iranischer Künstlerinnen gezeigt werden. Ob die
Ausstellung tatsächlich stattfinden wird, wird sich aber erst in den
kommenden Tagen zeigen.
Das Publikum, das sich mit geschlossenen Augen in die Stühle sinken ließ,
störte sich nicht an der Ungewissheit. Man genoss den Abend und traf sich
danach zum Weiterdiskutieren im Restaurant im Erdgeschoss. Natalie Mayroth
24 Dec 2016
## AUTOREN
Natalie Mayroth
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