# taz.de -- Endlose Schwärmerei | |
Jörg Heinrich selbst nennt sein Werk eine „etwas andere Biografie“. Über | |
den Fußballnationalspieler Thomas Müller und seine unnachahmlich Art, Tore | |
zu schießen, ist schon viel gesprochen und geschrieben worden. Der Münchner | |
Journalist Heinrich versucht nun, hinter das Geheimnis der Spielart von | |
Thomas Müller zu kommen, indem er Interviews mit dem ehemaligen | |
Sky-Kommentator Marcel Reif, dem Sprüche klopfenden Kommentator Frank | |
Buschmann und Taktik-Experte Réne Marićführt. Der Hauptakteur selbst | |
allerdings kommt leider gar nicht zu Wort. | |
Aktuell ist dem Bayern-Stürmer seine Treffsicherheit ja etwas | |
abhandengekommen, aber sieht man von dieser Saison einmal ab, ist der | |
27-Jährige wahrlich ein zuverlässiger Torschütze für den FC Bayern. Dass er | |
dabei nicht immer mit Traumfußball glänzt, ist Müller sowieso bewusst: „Ich | |
bin nicht immer auffällig, aber immer gefährlich.“ Die Müller-Tore sind | |
einzigartig und so unbegreiflich, dass nicht mal ein Marcel Reif sie | |
erklären kann, geschweige denn der Goalgetter selbst, wie man in Heinrichs | |
Buch erfährt. | |
In 27 Kapiteln beleuchtet Jörg Heinrich, der aus dem Schwärmen gar nicht | |
mehr rauszukommen scheint, Müller von jeder denkbaren Facette. Der | |
Vergleich mit seinem Namensvetter Gerd, dem „Bomber der Nation“, darf | |
natürlich nicht fehlen. | |
Folgt man Jörg Heinrich, dann ist an Thomas Müller wirklich alles | |
besonders. Nicht nur seine kuriosen Tore sind bemerkenswert, auch seinen | |
langen Beinen, seinen geringen Verletzungspausen und seinem bayerischen | |
Humor widmet sich Heinrich mit großer Akribie. So hat er gar eigens ein | |
Kapitel mit Müller-Sprüchen eingefügt. | |
Für seine lustigen Interviews ist der Fußballer mit der Rückennummer 25 | |
ohnehin bekannt. Sie haben ihm viele Fans eingebracht. Mit Jörg Heinrich | |
hat nun auch ein Journalist sein Bekenntnis abgelegt. | |
Seine Verehrung für Thomas Müller scheint keine Grenzen zu kennen, so heißt | |
es etwa in einer auf lustig gestrickten Passage: „Gerüchteweise gab es den | |
deutschen Fußball auch schon vor Thomas Müller. Viele einschlägige Beweise | |
sprechen dafür [. . .]. Doch eines steht auch fest: Vor Thomas Müller war | |
der deutsche Fußball garantiert langweiliger und weniger lustig, als er es | |
heute ist.“ | |
Mit dem ihm eigenen Humor, mit dem der FC Bayern-Kolumnist der Münchner | |
Boulevardzeitung tz schon bei seinem Werk „111 Gründe, Bayern München zu | |
lieben“, zu glänzen versuchte, beschreibt er den Aufstieg des „neuen | |
Bombers“ von seiner Zeit beim TSV Pähl, seinem Durchbruch unter dem | |
holländischen Sonnenkönig Louis van Gaal bis hin zu seinem Auftritt bei der | |
WM 2014. Dabei erwarten den Leser auch bemerkenswerte Anekdoten. | |
Wer also schon immer wissen wollte, was Van Gaal dazu veranlasste, seine | |
Hose vor versammelter Mannschaft runterzulassen, oder wie die Kanzlerin zum | |
Rekordmeister steht und warum es einen Bayern Fanklub im Bundestag gibt, | |
der kommt auf seine Kosten. | |
Wer sich hingegen eine tiefergehende Biografie des Torjägers erhofft, der | |
wird enttäuscht. Denn neben den vielen ohnehin schon bekannten Fakten | |
bleibt am Ende nicht viel mehr als eben die endlose Lobhudelei. Den Hütern | |
der FC-Bayern-Kommerzmaschinerie dürfte das sehr willkommen sein. | |
Das Nahverhältnis, das Jörg Heinrich zu diesem Verein pflegt, ist ohnehin | |
sehr auffällig. Am Ende des Buchs etwa muss er noch etwas Wichtiges | |
loswerden: „Danke an Karl-Heinz Rummenigge – für die großartigen letzten | |
Jahre beim FC Bayern.“ Annika Schmidt | |
Jörg Heinrich: „Thomas Müller. Das Phänomen“. Verlag Die Werkstatt. | |
Göttingen 2016, 221 Seiten, 16,90 Euro | |
22 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Annika Schmidt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |