# taz.de -- Eine Premiere, die nur lachend zu ertragen ist | |
> Kino Der polnische Propagandafilm „Smoleńsk“ wurde vom Club der | |
> polnischen Versager gezeigt | |
Es ist Freitagabend gegen Mitternacht. Adam Gusowski trägt noch immer | |
seinen dunkelblauen Anzug mit dem hellblauen Hemd und der schief sitzenden | |
Fliege. Filmpremierenoutfit. Die Erstausstrahlung des polnischen | |
Propagandafilms „Smoleńsk “ in Deutschland – im Babylon-Kino – hat er | |
hinter sich. Und auch die Diskussion danach hat Gusowski ohne Zwischenfälle | |
überstanden. | |
Nun sitzt er im Backstageraum des Clubs der polnischen Versager, den er mit | |
Piotr Mordel gegründet hat. Die letzten Wochen befand er sich unter großem | |
Druck, denn die Frage, ob der Film in Deutschland gezeigt wird, war zum | |
Politikum geworden. Ursprünglich hatte der polnische Botschafter den Film | |
geladenen Gästen im Delphi zeigen wollen. Doch das Kinos sagte ab – unter | |
anderem wegen Sicherheitsbedenken. Die satirische Künstlergruppe Club der | |
polnischen Versager entschied, den Film in einem breiteren Kontext zu | |
zeigen und zu diskutieren. Die regierungsnahen Medien in Polen beschimpften | |
die Mitglieder des Clubs daraufhin als „Vaterlandsverräter“. | |
## Es gibt nicht viel zu sagen | |
Für den Club der polnischen Versager ist die Filmvorführung nicht die | |
Hauptsache an diesem Abend. In den Clubräumen in der Ackerstraße selbst, | |
nur zehn Minuten zu Fuß vom Babylon-Kino entfernt, findet ein ganz normaler | |
Abend statt. Menschen mit Weingläsern, Flaschen zerbersten am Boden, die | |
Kloschlange hat eine entmutigende Länge erreicht. | |
Über den Film selbst gibt es nicht viel zu sagen. Er ist schlecht. | |
„Grottenschlecht“, sagt Gusowski. Ein Drehbuch, das wohl während des | |
Drehens geschrieben wurde, talentfreie Schauspieler und vor allem absurde | |
Dialoge. „Ich dachte, wir würden nach dem Film über kleinere Schwächen | |
reden. Aber der Film hat ausschließlich Schwächen,“ sagt Gusowki. Der Film | |
führt geradlinig hin zur Verschwörungstheorie, dass der Absturz der | |
polnischen Präsidentenmaschine 2010 ein Anschlag unter russischer Führung | |
war. Bei der Filmvorführung lachen immer wieder vereinzelt Menschen im | |
Publikum auf. | |
An manchen Stellen kann sich kaum jemand zurückhalten. „Hier macht sich | |
niemand über den Film lustig. Das Lachen hat die Funktion, dass man einen | |
Weg findet, auf die Absurdität des Films zu reagieren. Anders ist er nicht | |
zu ertragen,“ sagt der Kunsthistoriker Piotr Olszówka bei der Diskussion | |
nach dem Film. Der Regisseur Antoni Krauze sei eigentlich ein erfahrener | |
Filmemacher und habe auch schon akzeptable Filme gemacht. Gusowski kann | |
sich deshalb kaum erklären, warum dieser Film so unwahrscheinlich schlecht | |
ist. „Ich denke, Krauze glaubt wirklich an seine Vision. Er ist tatsächlich | |
überzeugt von der Anschlagstheorie“, sagt Gusowski. | |
Eine Überzeugung, die die Zuschauer im Babylon Mitte nicht teilen. Meggi | |
von der Organisation Dziewuchy Dziewuchom (Mädchen für Mädchen) ist beim | |
Film immer wieder gelangweilt aus dem Kino gegangen, um Zigaretten zu | |
rauchen. Die Entwicklung in Polen hat sie politisiert: „Seitdem die | |
PiS-Regierung die Frauenrechte immer weiter einschränkt, gehe ich auf die | |
Straße“, sagt sie. Seit letztem Oktober organisiert die Gruppe hier in | |
Berlin Demonstrationen für Abtreibungen. Sie sehe sich zwar nicht als | |
Regierungsgegnerin, aber kämpfe für Frauenrechte und gegen Propaganda. Auf | |
dem Weg zum Club der polnischen Versager, wo nun viele hingehen, diskutiert | |
sie den Film und die polnische Politik. Genau darum ging es Gusowki: „Wir | |
haben das geschafft, was der Botschafter nicht geschafft hat: Wir haben den | |
Menschen in Berlin einen normalen Zugang zum Film ermöglicht.“ Imre Withalm | |
9 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Imre Withalm | |
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