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# taz.de -- Berliner Szenen: Geschenkekauf
> In der Vorhölle
Früher war Weihnachtsgeschenke besorgen so schön einfach. Ein paar Tage vor
Heiligabend ganz relaxt in den Zweitausendeins-Laden in der Friedrichstraße
spazieren und ihn eine gute halbe Stunde später bestens gelaunt und mit
Geschenken überladen wieder verlassen: die
Einhundert-CD-Maria-Callas-Kollektion für die Mutter, die
Gay-Talese-Reportagen für die (Ex-)Schwägerin, den David-Lynch-Bildband für
mich selbst im Gepäck, und alles war gut.
Dies ist mein erstes Weihnachten seit Menschengedenken ohne
Zweitausendeins, denn jetzt gibt es auch das Geschäft in der Kantstraße
nicht mehr und das neue Shop-im-Shop-Konzept ist einfach nicht dasselbe.
Ich muss sagen: Es läuft gar nicht gut. Vor ein paar Tagen war ich bei
Dussmann, das, nebenbei bemerkt, seit dem Umbau genauso aussieht wie zuvor
– nur, dass alles, was vorher links stand, jetzt rechts steht und
umgekehrt. Als ich mich eine Stunde lang durch hustende und rempelnde
Menschenmassen gewühlt hatte, fühlte ich mich dermaßen uninspiriert, dass
ich die Geschenke-Abteilung aufsuchte, Limbo für all jene verlorenen
Seelen, die bereits alle Hoffnung auf ein sinnvolles Geschenk haben fahren
lassen. Und nachdem ich für eine Weile mit wachsender Wut Sinnlosigkeiten
wie Landkartenkissen, Kugelschreiberständer und Vasen in Eulenform
begutachtet hatte, ergriff ich mit pulsierendem Kopfschmerz die Flucht.
Vielleicht verschenke ich in diesem Jahr Gutscheine. Die haben den Vorteil,
dass man den Restaurant- oder Opernbesuch aufgrund der Unmöglichkeit,
innerhalb der Familie einen gemeinsamen Termin zu finden, immer weiter
aufschiebt. So lange, bis man die Sache schließlich unter einem Mantel des
Schweigens begräbt. Zumindest bis zum nächsten Weihnachten. Andreas Resch
23 Dec 2016
## AUTOREN
Andreas Resch
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