# taz.de -- Wie es euch gefällt | |
> Geschmackssache Fleischfreunde und Veganer friedlich an der Festtafel? | |
> Dazu braucht man Verhandlungsgeschick, Fantasie – und nicht zuletzt die | |
> passenden Rezepte | |
Bild: Ein Weihnachtsburger kann auch die Lösung sein | |
von Christine Berger | |
Nudeln gehen immer. Sie sind vegan, lassen sich mit Fleisch und Gemüse | |
kombinieren. Fazit: Keiner meckert. Aber gibt es nichts anderes, um beim | |
gemeinsamen Essen den Himmel auf Erden zu erleben? Da sind Fronten, | |
Kriegserklärungen, es geht um Leben und Tod, jedenfalls bei uns am Tisch. | |
Da ist zum einen die Fraktion „Mir alles egal – Hauptsache Fleisch und | |
Gemüse“, das ist mein Mann. Aus Umweltgründen isst er am liebsten | |
Würstchen: „Denn was passiert mit dem Rest vom Tier, wenn alle immer nur | |
Steak wollen?“ Dann kommt Tochter Nummer 1, ebenfalls von der | |
Fleischfraktion, aber bitte etwas Besonderes, nicht so schnöde, am besten | |
ein Steak oder so und bloß nicht so viel Gemüse. Tochter Nummer 2 lebt | |
vegan, sie will auf keinen Fall totes Tier oder Eier vor sich sehen, Gemüse | |
gerne, wenn es Rotkohl, Sauerkraut oder Kürbis ist. Bei Fisch verlässt sie | |
gleich die Wohnung. Genauso mein Mann, wenn er Käse riecht, den ich daher | |
selbst im Winter auf dem Balkon esse. Und Töchterchen Nummer 3 ist im | |
besten Alter, alles doof zu finden, außer Nudeln. Und ich? Mir ist das | |
Essen mittlerweile egal. Vor lauter Meinungen dazu, habe ich selbst keine | |
mehr. Das ist schlecht – und schlecht wird mir auch, wenn es für alle etwas | |
Besonderes geben soll. An Weihnachten zum Beispiel. | |
Aber ich habe Roald Dahl gelesen und sein Humor gefällt mir, besonders die | |
Geschichte mit der Lammkeule (deren Pointe hier nicht verraten wird). Da | |
mein Magen jedoch keine Mördergrube ist, hintergehe ich meine Mitmenschen | |
einfach ein wenig, um mich zu rächen. Ich serviere ihnen etwa Fleisch, wenn | |
keines da ist. An einem grauen Novembersonntag trainiere ich schon mal für | |
Heiligabend. Ich denke an Kartoffelsalat mit Speck und Fleischbällchen in | |
einer Soße, der man das pürierte Gemüse nicht ansieht. Die nötigen Zutaten | |
besorge ich unter anderem in der vegetarischen Fleischerei in Kreuzberg, | |
die sich allerdings als Imbiss mit Tiefkühlschrank entpuppt. Heimlich parke | |
ich die Päckchen mit den eiskalten Bällchen auf dem Balkon, und als die | |
Fleischfraktion außer Haus ist, beginne ich eilig mit den Vorbereitungen. | |
Der vorgeschnittene Speck aus der Papppackung sieht echt aus, und mit | |
Zwiebeln angebraten duftet es dem Original ebenbürtig. Die fertigen | |
Fleischbällchen aus Tofu, Palmöl etc. kullern in die heiße Pfanne und | |
werden knusprig braun gebraten. Mit dem pürierten Gemüsepamps (Spitzkohl, | |
Kohlrabi, Rest Tomatensoße) von gestern aufgefüllt ist der Fleischgang | |
schlagartig fertig. Speck und Zwiebeln wandern mit den geschnittenen | |
Kartoffeln in eine große Schüssel, noch zwei Salatgurken nebst Brühe dazu – | |
fertig ist der Erdäpfelsalat. Das Gericht war nach 20 Minuten fertig. | |
Beim Essen selbst geht es friedlich zu, Tochter (vegan) Nummer 2 ist nicht | |
anwesend, weshalb sie die Fleischbällchen in der Soße nicht monieren muss, | |
und fast alle hauen ordentlich rein. Dass das Fleisch keines ist und das | |
olle Gemüse von gestern reingestampft wurde, bemerkt niemand. Der Betrug | |
ist geglückt. Was jedoch kochen an den restlichen Feiertagen? Da muss auf | |
jeden Fall ein Braten her, und den gibt es (noch) nicht fleischlos. Wir | |
überlegen, beim Jäger in Brodowin wieder Rehrücken zu kaufen oder Hirsch. | |
Tochter Nummer 2 macht sofort von ihrem Vetorecht Gebrauch. Wir einigen uns | |
auf einen Kompromiss: ein Weihnachtstag mit Fleisch, der nächste ohne. | |
Damit der Familienfrieden gewahrt bleibt, fahre ich die Strategie der | |
Partizipation. Überall in der Wohnung liegen Kochbücher herum, die Verlage | |
geschickt haben, weil sie erfahren haben, dass ich über Weihnachtsessen | |
schreibe. | |
Jamie Olivers Weihnachtskochbuch etwa ist ein guter Ratgeber, um | |
Fleischhasser und Fleischliebhaber an einem Tisch zu vereinen. Tochter 2 | |
favorisiert als fleischlose Alternative seinen Nussbraten mit Kürbis, | |
Quinoa und Kastanien, dazu passt das Honigsauerkraut aus Tim Mälzers „Die | |
Küche“. Um der ganz Kleinen nicht das Fest zu verderben, werden wir ein | |
paar Tage vorher die Nudelmaschine anwerfen und unsere eigene Pasta machen, | |
dazu bauen wir das Netto-Pesto nach, das sie so liebt. Als Dessert | |
empfiehlt das Geniale Familienkochbuch vom Trias Verlag einen italienischen | |
Käsekuchen mit Himbeersoße, vielleicht tut es aber auch ein normaler | |
Obstsalat mit Vanilleeis. Der Hirschbraten „im zarten Schinkenmantel“ den | |
Oliver beschreibt, wird auf jeden Fall an Weihnachten eine Rolle spielen, | |
der Brodowiner Jäger ist schon informiert, dazu gibt es selbst gemachte | |
Klöße. Tochter Nummer 2 kann sie dann mit veganer Bratensoße essen, das | |
Rezept steht ebenfalls beim englischen Starkoch. | |
Vor lauter Kochbücherschauen bin ich auf den Geschmack gekommen und werde | |
öfter etwas Neues wagen, wenn sich, der Nudeln überdrüssig, die Fleisch- | |
und Veganerfraktion mal wieder in die Haare kriegt. Das vegetarische | |
Hackfleisch aus der fleischlosen Metzgerei in der Bergmannstraße wird für | |
Jamie Olivers Hackbraten sicherlich eine schöne Alternative sein. Dazu | |
Rotkohl mit Veggie-Speck. Und natürlich Nudeln. | |
26 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Christine Berger | |
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