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# taz.de -- Zuversicht trotz Obamas Abschiedstour
> Jazz Beim Festival im Friedenauer Club „ZigZag“ traten am Wochenende
> viele hochkarätige Künstler auf. Der Brite Dave Holland und US-Trompeter
> Dave Douglas präsentierten etwa jeweils ihre neuen Bandprojekte
Bild: Drummer in der Band von Dave Douglas: Der New Yorker Clarence Penn in Akt…
von Franziska Buhre
Auch in der Woche nach den US-Wahlen liegt bei Jazzkonzerten, zumal solchen
mit US-Musikern, eine Mischung aus Beklemmung, Wehmut, Solidarität und
Trotz in der Luft. Ist es wohl angebracht, sich von Künstlern Antworten zu
erhoffen auf die Frage, wie Trump zum Präsidenten gewählt werden konnte?
Sollte die Musik nicht frei sein von politischen Belangen? Aber wie steht
es unter den Vorzeichen von Spaltung und Hass um die Zukunft der
ureigensten amerikanischen Kunstform? Der britische Bassist (und
Wahl-Amerikaner) Dave Holland ließ beim Festival im ZigZag Jazzclub die
Musik seines neuen Quartetts Aziza für sich sprechen.
## Reigen auf der Bühne
Holland ist eine Legende, er hat schon mit Miles Davis und dem Saxofonisten
Anthony Braxton gespielt, viele seiner Stücke haben Kultstatus. Kaum zu
glauben, wie frisch der 70-Jährige nach einer Tour nun in Berlin auf der
Bühne steht: Als wäre er Gastgeber, der an seine reich gedeckte Tafel
einlädt. Unter dem weiblichen Palindrom Aziza (für: die Hochverehrte, die
Kostbare), fächert Holland einen kulinarischen Reigen an Rhythmen,
Klangfarben und Erzählungen auf. Die Stücke aller Bandmitglieder atmen
Neugier und Vergnügen an Traditionen aus Westafrika und der Karibik,
zugleich sind sie Ausdruck einer musikalischen Diaspora, die im Jazz ihre
Heimat findet. Holland, der kerzengerade in der Mitte steht, rollt dem
Gitarristen Lionel Loueke, dem Saxofonisten Chris Potter und dem
Schlagzeuger Eric Harland mit artikulierten rhythmischen Figuren und
beredten Melodien einen Teppich aus, auf dem sie Allianzen bilden oder von
dem sie zu Soli abheben können. Potter spielt Tenor- und Sopransaxofon
technisch erhaben und mit Elan. Sein Sound ist feingeschliffen. Auf längere
Strecken wirkt sein Spiel eher wie eine Abfolge von Finessen, die freilich
gerne gehört werden – von Herren um die 50 und aufwärts erntet er
Jubelrufe. Darüber hinaus ist sein Sonnyboy-Auftreten aber auch
entwaffnend.
Holland moduliert die Lautstärke seines Spiels von hauchzart bis zum
voluminösen, ausgekochten Funk, in hoher Tonlage kredenzt er Melodien wie
auf einem Cello. In einem anderen Stück spielt er den Bass wie die
westafrikanische Kora, sein Gesang und die tänzerische Stimmführung mit den
Händen sind die eines Griots. Hollands Botschaft, diverse Einflüsse
spielerisch zu versammeln, stimmt hoffnungsfroh. Ähnlich und doch ganz
anders ergeht es einem beim Solokonzert des Pianisten und Wahlberliners
Achim Kaufmann am zweiten Abend des Festivals. Kaufmann ist einer der
profiliertesten deutschen Pianisten. Seine Wirbelsäule ist den Tasten im
Halbkreis zugeneigt, ohne Noten projiziert er Improvisationen über
Eigenkompositionen und Standards zeitlich weit ins Voraus, um sie dann im
Spiel fabelhaft auszukleiden. Ohne die Komponisten vorher zu kennen,
vermittelt sich bei Kaufmann eine tiefe Verbundenheit mit dem Jazz-Idiom,
aus dessen Boden ganz selbstverständlich freie melodische Exkursionen
herauswachsen.
## Düster gestimmt
Oder er wiederholt ein so kurzes wie komplexes Motiv unablässig in der
einen Hand, während die andere fortstürmt und irgendwann wieder zurückkehrt
zum Ausgangsthema. Kaufmanns Gewebe schillern beidseitig – ohne die Wurzeln
im Jazz sind die wild wachsenden Ranken nur halb so schön. Also auch ein
Grund für Zuversicht. Düsterer gestimmt ist der New Yorker Trompeter Dave
Douglas, der mit den Worten „I’m sorry, Obama is gone“ zu Beginn seines
Konzerts am Freitagabend die traurige Gewissheit auf den Punkt bringt, dass
dieser US-Präsident in Berlin auf Abschiedstour war.
Später dankt Douglas dem zahlreich erschienenem Publikum und den
Organisatoren für die Wertschätzung von Jazz. Seine Kollaboration mit dem
in Frankreich lebenden Pianisten Frank Woeste, mündete jüngst in der
Gründung eines Quartetts mit seinen US-Kollegen Yasushi Nakamura am Bass
und dem Schlagzeuger Clarence Penn. „Dada People“ heißt dieses Projekt und
ist den Kunstwerken Man Rays gewidmet, was sich musikalisch allerdings
nicht recht erschließt, denn Readymades etwa, erklingen nicht, dafür ab und
an eine Musette im Walzertakt. Douglas gibt den New Yorker Stadtpfeifer par
excellence: direkt, eigensinnig, laut und ein wenig unterkühlt, unbeugsam
in seinem Willen, gehört zu werden. Mit seiner neuesten Band erspielt er
sich die Live-Credibility nun in Europa.
21 Nov 2016
## AUTOREN
Franziska Buhre
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