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# taz.de -- Schwangere Pflegedienst-Leiterin in Haft: Pflege, die nie stattfand
> Eine Bremerhavener Pflegedienst-Betreiberin ist zu fünf Jahren Haft und
> 300.000 Euro Geldstrafe wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 918 Fällen
> verurteilt worden.
Bild: Soll trotz Schwangerschaft in Haft bleiben: Gülsen S.
Bremen taz | Eigentlich hätte Gülsen S. nach der Urteilsverkündung am
Landgericht Bremen nach Hause gehen können: Der vorsitzende Richter setzte
am Freitag die Untersuchungshaft der Hochschwangeren gegen Auflagen außer
Vollzug. Dann aber stellte die Staatsanwältin nur Minuten vor Ende der
Hauptverhandlung den Antrag, S. in Haft zu belassen: Ein neuer Verdacht
deute auf akute Fluchtgefahr hin.
Fünf Jahre Haft und 300.000 Euro Geldstrafe wegen gewerbsmäßigen Betrugs in
918 Fällen: So lautete das Urteil gegen die Betreiberin des Unternehmens
„Nordseepflege“, das mehrere Pflegedienste in Bremerhaven und Cuxhaven
betreibt.
## Nicht erbrachte Leistungen abgerechnet
S. hatte von 2009 bis 2016 Pflegeleistungen abgerechnet, die gar nicht oder
nur teilweise erbracht wurden. Auch ihre MitarbeiterInnen sollen involviert
gewesen sein; 30 Ermittlungsverfahren gegen Angestellte der „Nordseepflege“
sind noch anhängig. S. soll, sagte der vorsitzende Richter Thorsten Prange,
ihre MitarbeiterInnen „regelrecht zum Abrechnungsbetrug als
Selbstverständlichkeit ausgebildet“ haben.
Von 2009 bis 2014 soll es in über hundert Fällen in der Verhinderungspflege
zu gefälschten Abrechnungen gekommen sein. Dabei vertreten Profis
verhinderte Angehörige. Von 2012 bis 2014 kamen 600 Fälle bei der
Tagespflege hinzu – und all das, obwohl die Gesetzliche Krankenversicherung
(GKV) bereits 2013 Anzeige erstattet hatte und 2014 die ersten
Durchsuchungen stattfanden: „Trotzdem haben sie unverändert Ihre Praxis
fortgesetzt“, sagte der Richter.
## Pflegeleistungen für fitten 95-Jährigen
Daneben gab es viele gefälschte Einzelabrechnungen. Prange nannte das
Beispiel einer 95-Jährigen, die „vollumfassend mobil und selbständig war,
für die aber so ziemlich alle Pflegeleistungen abgerechnet wurden, die es
gibt“. Den Pflegekassen und Sozialträgern entstand ein Schaden von 600.000
Euro.
Mit seinem Urteil blieb das Gericht in der Mitte des vereinbarten
Strafrahmens, auf den sich zuvor die Prozessbeteiligten verständigt hatten.
Im Gegenzug hatte S. die Betrügereien umfassend gestanden. Das Urteil ist
noch nicht rechtskräftig. Ein Antrag auf Revision ist noch bis nächsten
Freitag möglich.
S. bleibt vorerst in Haft: Kurz vor Prozessende verkündete die
Staatsanwältin überraschend, dass am Donnerstag eine Bank wegen des
Verdachts auf Geldwäsche Anzeige erstattet habe: Der Lebensgefährte von S.
habe versucht, von ihren Geschäftskonten 460.000 Euro auf ein Privatkonto
zu verschieben. Eine Flucht der Angeklagten erscheine angesichts dessen
wahrscheinlich. Ob das Gericht das auch so sieht, wird es kommende Woche
entscheiden.
18 Nov 2016
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Pflege
Betrug
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