# taz.de -- Eine herbe Schlappe für Regierungschef Netanjahu | |
> ISRAEL Per Gesetz sollen illegale Siedlungen auf palästinensischem Land | |
> gebilligt werden | |
AUS JERUSALEM Lissy Kaufmann | |
Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte noch versucht, die Abstimmung zu | |
verschieben. Er nannte Bildungsminister Naftali Bennett (Habajit Hajehudi) | |
im Vorfeld „kindisch und unverantwortlich“, weil dieser unnachgiebig auf | |
den Abstimmungstermin am Sonntag pochte. Doch der Hardliner Bennett setzte | |
sich am Ende durch. | |
Der Ministerausschuss für Gesetzgebung verabschiedete am Sonntagabend | |
einstimmig einen Entwurf, der bereits gebaute illegale Siedlungen im | |
Westjordanland legalisieren würde. Das betrifft israelische Siedlungen, die | |
auf privatem palästinensischen Grund stehen und bisher nicht von Israel | |
anerkannt wurden. Mit dem Gesetz sollen illegal geschaffene Tatsachen | |
nachträglich legalisiert werden. | |
Knapp die Hälfte der israelischen Siedlungen im Westjordanland sind bisher | |
nicht von der Regierung genehmigt. Es handelt sich oft um Außenposten, in | |
denen einige Familien in Wohnwagen oder einfachen Fertighäusern wohnen, die | |
über Nacht aufgestellt wurden. Manche dieser wilden Siedlungen sind aber | |
mithilfe der Regierung entstanden. Für diese soll das neue Gesetz gelten. | |
Siedler könnten dann argumentieren, in gutem Glauben gehandelt zu haben – | |
weil die Regierung beim Bau geholfen hat. Palästinenser, die beweisen | |
können, dass das Land ihnen gehört, sollen entschädigt werden. | |
„Ihr hattet alle ein Jahr Zeit, euch darum zu kümmern, aber nichts ist | |
passiert. Hunderttausende Israelis sind Bürger zweiter Klasse, und jetzt | |
ist es an der Zeit weiterzumachen“, kommentierte Bennett den Versuch | |
Netanjahus, die Abstimmung zu verschieben. Zwar muss der Entwurf noch die | |
Knesset passieren. Doch den Machtkampf gegen die rechten Hardliner in | |
seinem Kabinett hat Netanjahu verloren – obwohl er zuvor die Mitglieder | |
seiner Likud-Partei dazu aufgerufen hatten, gegen den Entwurf zu stimmen. | |
Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit sagte am Sonntag, das Gesetz | |
verstoße gegen internationales Recht und ließe sich vor dem Obersten | |
Gerichtshof nicht verteidigen. Sicherheitsminister Avigdor Lieberman | |
(Jisrael Beitenu) warf Bennett vor, mit seinem Verhalten nur an | |
Wählerstimmen zu denken und damit das gesamte Siedlungsprojekt zu | |
gefährden. Bennett zeigt sich in den Tagen zuvor bei protestierenden | |
Siedlern, die zu seiner Wählerschaft zählen, und versprach ihnen, den | |
Entwurf durchzusetzen. | |
Netanjahus Ablehnung der Abstimmung hatte taktische Gründe. Anlass ist der | |
Fall der Siedlung Amona, die geräumt werden soll. Amona zählt zu einer der | |
größten von rund 100 illegalen Siedlungen im Westjordanland. Sie wurde 1995 | |
gegründet, heute leben mehr als 40 Familien dort. Derzeit bearbeitet der | |
Oberste Gerichtshof einen Antrag der Regierung, die Räumung von Amona um | |
sieben Monate zu verschieben. Netanjahu wollte mit der Abstimmung bis zur | |
Entscheidung des Obersten Gerichtshofs warten. | |
Die Palästinensische Autonomiebehörde hat inzwischen Reaktionen angekündigt | |
– auch wegen eines weiteren Gesetzentwurfs, der im Ministerausschuss | |
verabschiedet wurde. Mit diesem soll Muezzins in Israel verboten werden, | |
über Lautsprecher Muslime zum Gebet aufzurufen, da dies eine | |
Lärmbelästigung darstelle. Der Sprecher von Palästinenserpräsident Mahmud | |
Abbas, Nabil Abu Rudeineh, sagte laut Medienberichten, die palästinensische | |
Führung werde sich nun an den UN-Sicherheitsrat und andere internationalen | |
Organisationen wenden, um die Gesetzentwürfe zu verhindern. | |
15 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Lissy Kaufmann | |
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