# taz.de -- Der Kampf ums Lesen | |
> Petition der Woche In Freital-Zauckerode soll eine Stadtteilbibliothek | |
> geschlossen werden – ausgerechnet dort, wo viele sozial schwache Menschen | |
> leben | |
von Valerie Höhne | |
Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, Pegida-Aufmärsche und | |
rechtsterroristische Strukturen: Freital, eine Kleinstadt in Sachsen, keine | |
20 Autominuten von Dresden entfernt, wird mit allerlei Unschönem verbunden. | |
Hier lebt Andrea Thäder-Voigt – und kämpft fürs Lesen. Sie ist 37, | |
promovierte Biologin und dreifache Mutter. Pegida-Anhänger*innen mag sie | |
nicht. Als politisch interessiert würde sie sich auch nicht bezeichnen. | |
Seit einigen Monaten hat sie jedoch ein klares Ziel. Sie will, dass die | |
Stadtteilbibliothek in Zauckerode erhalten bleibt. In diesem Ortsteil im | |
Norden von Freital mit 4.700 Einwohnern, vier Spielplätzen, einem Freibad | |
und unzähligen Wohnblocks. „Gerade in Zauckerode gibt es viele sozial | |
schwache Menschen“, sagt Thäder-Voigt. Für die, und vor allem deren Kinder, | |
sei die Bibliothek sehr wichtig. Doch die Bibliothek Zauckerode soll | |
geschlossen werden, das hat der Stadtrat im November 2015 beschlossen. | |
Denn die Stadtteilbüchereien sollen zu einer zentralen Stadtbibliothek im | |
„City Center“ zusammengelegt werden. In diesem kargen, weißen Neubau, einem | |
der größten Einkaufszentren von Freital. Als Andrea Thäder-Voigt davon | |
erfuhr, schrieb sie einen Protestbrief an die Stadtverwaltung, etwa 60 | |
Menschen unterschrieben ihn. „Aber die Antwort war nicht | |
zufriedenstellend“, sagt sie. | |
Die Stadt habe zwar Lesepatenschaften angeboten, aber das sei doch keine | |
echte Alternative zu Büchereien. Menschen, die ehrenamtlich in Schulen und | |
Kindergärten kommen, um vorzulesen. Also startete Thäder-Voigt eine | |
Petition, sammelte vor der Stadtteilbibliothek und in Schulen | |
Unterschriften. Sie versuchte es auch einmal vor einem Supermarkt. Viel | |
Erfolg hatte sie dort nicht. „Man braucht schon einen Bezug, um eine | |
Petition zu unterschreiben“, sagt sie. | |
Thäder-Voigt hat einen weichen sächsischen Dialekt, sagt „Tschüssi“, wenn | |
sie sich am Telefon verabschiedet. In Freital fühlt sie sich wohl. Zwei | |
ihrer Kinder gehen noch in den Kindergarten. Einmal die Woche besucht die | |
Kita-Gruppe bislang die Bücherei. Viele Kinder hätten nicht die Möglichkeit | |
ins Zentrum nach Freital-Deuben zu kommen, dorthin also, wo die neue | |
Stadtbibliothek entstehen soll. Manche Eltern könnten sich die Fahrten mit | |
den öffentlichen Verkehrsmitteln auf Dauer schlicht nicht leisten. | |
Auch viele Senior*innen protestieren gegen den Umzug der Bibliotheken. Weil | |
sie oft nicht sehr mobil sind. Das „City Center“ ist etwa dreiKilometer von | |
Zauckerode entfernt. Zu Fuß ist das für die meisten zu weit. Eine zu große | |
Hürde. „Was dann fehlt, ist die Motivation“, sagt Andrea Thäder-Voigt. | |
Ihr gefällt die Idee der Bibliothek als Treffpunkt, eine echte | |
Begegnungsstätte sei sie. Im gleichen Gebäude ist ein Kinder- und | |
Jugendhilfezentrum. Es gibt einen kleinen Park und einen Spielplatz. Die | |
Bibliothekarin kümmere sich „hervorragend“ um die Belange aller Kund*innen. | |
Ende September übergab Thäder-Voigt ihre Petition mit 1.668 Unterschriften | |
an den Oberbürgermeister der Stadt, Uwe Rumberg. | |
Vom Rathaus erfährt man auf Anfrage: Man habe vor, sich an die Entscheidung | |
des Stadtrats zu halten. Der Treffpunkt in Zauckerode soll noch Ende des | |
Jahres umziehen. Entschieden, das betont Thäder-Voigt, ist aber noch | |
nichts. | |
22 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Valerie Höhne | |
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