# taz.de -- Alles chillig,feine Leute | |
> UmfeldTausend neue Nachbarn wohnen seit einem Jahr auf dem Tempelhofer | |
> Feld. Wie hat das die Umgebung verändert? Ein Rundgang im Kiez | |
Manfred Neumann stemmt die Hände in die Hüften. Sein massiger Oberkörper | |
wiegt hin und her. „Tja, die Flüchtlinge“, sagt er und legt die Stirn in | |
Falten, „ich muss sagen, die meisten sind ganz feine Leute“. Neumann, der | |
eigentlich anders heißt, arbeitet in einer Tankstelle am Tempelhofer Feld. | |
Seit einem Jahr ist Berlins größte Notunterkunft direkt in seiner | |
Nachbarschaft. | |
Neulich, erzählt Neumann, sei er mit der U-Bahn am Platz der Luftbrücke | |
angekommen. Er hatte den Kinderwagen dabei und der Fahrstuhl war kaputt. | |
Sofort habe ein Flüchtling mit angepackt. Gemeinsam hievten sie den Wagen | |
die Treppen hinauf. „Sehr höfliche Menschen sind das“, meint Neumann. | |
Doch seit einigen Monaten kämen statt den Syrern und Afghanen immer mehr | |
Menschen aus Osteuropa zu ihm in die Tankstelle. „Mit denen ist das anders. | |
Oft versuchen die, bei uns zu klauen. Und wenn du sie erwischt, schlagen | |
sie um sich.“ Da sei es oft zu brenzligen Situationen gekommen. | |
Sedat Kücükoglu hat so etwas noch nicht erlebt. Mit geübten Handgriffen | |
säbelt er Fleischstreifen von einem Dönerspieß und schiebt sie zu einem | |
Häufchen zusammen. „Die Jungs, die ich von da drüben kenne, sind echte | |
Gentlemen“, sagt er und deutet Richtung Flughafengebäude. Seit über zehn | |
Jahren verkauft Kücükoglu am Mehringdamm Kebab und Halloumitaschen. Drei | |
Flüchtlinge aus der Unterkunft gegenüber seien Stammkunden bei ihm, erzählt | |
er. Mit ihnen spricht er über das Leben in Deutschland und die Probleme in | |
der Unterkunft. „Aber sonst“, Kücükoglu zuckt mit den Schultern, „hat s… | |
für mich nicht viel verändert.“ Viele der Flüchtlinge würden wohl eher auf | |
dem Gelände bleiben, vermutet er. Und ihr knapp bemessenes Geld wollten sie | |
nicht unbedingt für einen Döner ausgeben. | |
Ganz anders läuft das Geschäft bei Yusuf Cambaz. Er arbeitet in dem | |
Internetcafé an der Dudenstraße. „Vor einem Jahr ging das hier richtig ab. | |
Da kamen alle an und wollten SIM-Karten kaufen“, erzählt er. Fast jede | |
Woche hätten sie Nachschub bestellen müssen, der Umsatz sei rasant | |
gestiegen. Natürlich habe es mit der Verständigung dann manchmal Probleme | |
gegeben. Er selbst ist Kurde und auch keiner seiner Kollegen spricht | |
Arabisch. | |
Irgendwie habe man das trotzdem hinbekommen. „Meist geht es ja eh nur | |
darum, ob sie ein oder zwei Megabyte Surfvolumen haben wollen“, sagt er und | |
grinst. Und jetzt, ein Jahr später? „Alles chillig, alles entspannt“, sagt | |
Cambaz. Ein paar Flüchtlinge kämen noch vorbei, aber der große Ansturm sei | |
vorüber. „Die kaufen jetzt ihre Handykarten woanders. Mir ist das recht, | |
dann ist es hier ein bisschen ruhiger.“ | |
## Das versteckte Café | |
Ruhig ist es auch im Hangar 1 des alten Flughafens. Hinter der Theke spielt | |
ein junger Barista an seinem Handy, während er auf Kundschaft wartet. Über | |
ihm hängt eine Tafel. „THF Café“ steht mit blauer Kreide darauf | |
geschrieben, dazu hat jemand Kaffeekanne und Zuckerstreuer gemalt. In einer | |
Ecke übt eine Gruppe Deutschvokabeln. | |
Ein paar Tische weiter sitzt Ahmed Barraka auf einem Holzschemel. Seit vier | |
Monaten wohnt der junge Palästinenser in der Unterkunft. Fast täglich kommt | |
er ins Café, um Leute zu treffen, Karten zu spielen oder Filme zu schauen. | |
Nur von den Deutschen bekäme er nicht so viel mit. Klar, die Helfer und | |
Freiwilligen würden sich hier treffen. Aber sonst? „Manchmal kommen Leute, | |
die ich nicht kenne, die gehen dann ein paar Schritte rein, schauen sich um | |
und gehen wieder raus“, sagt Barraka. | |
Eigentlich soll das Café ein Begegnungsort sein, für Flüchtlinge und | |
Anwohner. Aber das ist nicht so einfach. „Der Flughafenhangar mit seinen | |
Mauern und Bauzäunen lädt nicht gerade, zum Vorbeigucken ein“, sagt Richard | |
Lemmer vom Verein Tempelhof Welcome. Hin und wieder würden sich auch | |
Anwohner ins Café verirren. Doch das sei eher die Ausnahme. „Trotzdem sind | |
wir mit dem Café ganz zufrieden“, sagt Lemmer. „Es ist zwar nicht immer | |
viel los, aber von den Bewohnern wird das Angebot gut genutzt.“ Robert | |
Pausch | |
22 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Robert Pausch | |
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