# taz.de -- Niedersachsen: Wer zahlt das Tierheimfutter?: Geldstreit am Futtern… | |
> Niedersachsens Kommunen wollen, dass die Futterhersteller für den | |
> Tierschutz bezahlen. Der Tierschutzbund und die Industrie halten diese | |
> Forderung für „absurd“ | |
Bild: Miezi hat auch hinter Gittern Hunger: Da sind sich alle Beteiligten einig… | |
BREMEN taz |Wenigstens in einem Punkt sind sich alle einig: Ein großer Teil | |
von Niedersachsens Tierheimen ist in finanzieller Not. Das sagten sowohl | |
der Deutsche Tierschutzverein als auch der Bund der niedersächsischen | |
Gemeinden und Städte (NSGB) der taz. Allerdings leiten sie daraus | |
unterschiedliche Konsequenzen ab: Der niedersächsische Tierschutzverein | |
verlangt von den Kommunen mehr Geld für Tierheime. Die Gemeinden hingegen | |
fordern, dass sich industrielle Futterhersteller und der Tierfachhandel an | |
der Finanzierung von Tierheimen beteiligen. Eine Forderung, die Vitakraft, | |
der größten deutsche Hersteller von Tierfutter mit Sitz im | |
niedersächsischen Achim, wie folgt kommentiert: „Was für ein Schwachsinn!“ | |
Der Sprecher des NSGB, Thorsten Bullerdiek, fordert das Verursacherprinzip | |
ein: „Derjenige, der an den Verkäufen von Tieren und ihrer Haltung | |
verdient, soll zahlen: Tierfutterproduzenten und Zoofachhandlungen.“ | |
Bislang müssten für ausgesetzte Tiere Tierheime und Gemeinden aufkommen. | |
Kürzlich gab es zum Thema sogar einen runden Tisch auf Bundesebene. | |
Ergebnis: Der Bundeslandwirtschaftsminister solle die Industrie zu einem | |
freiwilligen Spendenfonds überreden. Wenn das nicht funktioniere, müsse man | |
eine gesetzliche Regelung finden, so Bullerdiek. | |
## Freiwillig gespendet | |
„Das ist absurd“, sagt Dieter Meyer, Unternehmenssprecher von Vitakraft, | |
„da versucht einer, der keine Ahnung hat, sich mit einer Aussage zu | |
profilieren“. Laut Meyer unterstützen die meisten Unternehmen in der | |
Futterindustrie bereits freiwillig Tierheime. „Wir bekommen pro Jahr etwa | |
200 Anfragen, verschenken Tierfutter und richten Tiertafeln ein“, so Meyer. | |
Gerade letzte Woche habe sein Unternehmen einen Lkw mit Futter für | |
bedürftige Tiere nach Rumänien geschickt. | |
Auch Fressnapf, der bundesweit größte Fachsupermarkt für Tierbedarf, | |
spendet laut Unternehmenssprecher Kristian Peters-Lach seit über zwei | |
Jahrzehnten Tiernahrung und -zubehör an Tierheime in finanzieller | |
Schieflage. Peters-Lach sagt: „Rechnet man alle jährlichen Futter- und | |
Sachspenden zusammen, ergäben die Paletten übereinander gestapelt einen | |
Turm, der höher als das Empire State Building ist.“ Man habe sogar eine | |
eigene Fachabteilung, „die unser gesamtes gesellschaftliches Engagement | |
bündelt“, und außerdem im regelmäßigen und engen Austausch mit dem | |
deutschen Tierschutzbund stehe. | |
„Die Futtermittelindustrie unterstützt den Tierschutz schon nach Kräften“, | |
bestätigt Rolf Scherer, Vize-Vorsitzender des niedersächsischen | |
Tierschutzbundes. Er befürchtet, dass Bullerdieks Forderung die Industrie | |
verprellen könnte. Abgesehen davon sei die Versorgung von ausgesetzten | |
Tieren kommunale Pflicht: „Wenn jemand ein Tier findet, kann er das laut | |
Gesetz beim Bürgermeister auf den Schreibtisch stellen“, sagt Scherer. | |
Nur durch einen Fundtiervertrag können die Kommunen das Problem an einen | |
Tierschutzverein auslagern. Darin ist unter anderem auch die Bezahlung der | |
Tierheime geregelt – oftmals zu Ungunsten der Tierschutzvereine: Wenn etwa | |
vereinbart ist, dass die Kommune nur Teilkosten für Fundtiere zahlen muss. | |
Den Rest muss der Tierschutzverein durch Spenden, Erbschaften und die | |
Arbeit von EhrenamtlerInnen stemmen. Scherer sagt, dass „die Kommunen die | |
Spendenbereitschaft ausnutzen“. | |
Der Tierschutzverein Gifhorn hat einen besseren Vertrag ausgehandelt: Die | |
Kommune kommt zu 100 Prozent für Fundtiere auf. Vom Jahresbudget von über | |
200.000 Euro macht das laut Schatzmeister Bruno Steder 120.000 Euro aus. Er | |
sagt: „Wir sind keine Bittsteller, wir haben ein Recht darauf, dass uns | |
diese Kosten für kommunale Aufgaben erstattet werden.“ | |
## Verhandlungen gescheut | |
Es liegt nahe, dass auch Steder die Forderung des NSGB für „absoluten | |
Quatsch“ hält. Er berät Tierschutzvereine, die kurz vor der Insolvenz | |
stehen. Versäumnisse sieht er auch auf Seiten der Tierschützer: „Die | |
meisten Vereine mit Tierheimen haben es nicht geschafft, die Gemeinden in | |
die Pflicht zu nehmen.“ Aus Angst sich vermeintlich gute Verhältnisse zur | |
Kommune zu verscherzen, scheue man sich, zu verhandeln. Alarm werde erst | |
dann geschlagen, wenn es finanziell fast schon zu spät sei.Laut | |
Vize-Landeschef Scherer bekommen die meisten Tierheime nur ein Viertel bis | |
zur Hälfte der Kosten für ausgesetzte Tiere erstattet. „Einige Tierheime | |
stehen vor der Insolvenz.“ | |
Alte Fundtierverträge seien zudem nicht an neue Probleme angepasst worden: | |
etwa illegalem Tierhandel über das Internet. Dabei werden Haustiere im Netz | |
bestellt und ausgesetzt, wenn das Tier nicht den Erwartungen entspricht. | |
Infolgedessen haben laut Tierschutzbund auch Fälle von sogenannte, „Animal | |
Hording“ zugenommen. Etwa, wenn ein Händler die Tiere nicht los wird. Es | |
komme vor, dass in Wohnungen bis zu 60 Katzen oder 30 Hunden zusammen | |
lebten. Laut Scherer suchen Tierheime nach überregionalen Lösungen und | |
bringen Tiere in andere Heime mit freien Plätzen. Die Transportkosten | |
tragen sie meist selbst. | |
5 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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Tierheime | |
Katzen | |
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