# taz.de -- Eintopf Domoda ist ein Alltagsgericht aus Gambia. Man kann darin ve… | |
Bild: Der Koch Alain Gauvrit (links) und Karamo diskutieren. Im Pilotprojekt Fo… | |
Von Valerie Höhne | |
Das Chrom der Arbeitsflächen glänzt im kalten Licht der Neonröhren. Zwei | |
junge Männer in weißen Kitteln stehen da und warten: Lamin und Karamo, aus | |
Gambia. Sie sollen hier in dieser Gastroküche in Berlin-Kreuzberg eine | |
Schnellausbildung bekommen. Beide stellen sich nur mit Vornamen vor. Ihren | |
Nachnamen wollen sie nicht nennen, da ihr Asylverfahren noch nicht | |
abgeschlossen ist. | |
Karamo ist ein bulliger Typ. Sein breiter Hals verschwindet fast | |
vollständig hinter dem weißen Kragen. Er lacht laut und oft. Lamin hat eine | |
Narbe auf der linken Wange, seine Dreadlocks verstaut er vollständig in | |
einer Mütze. Er ist stiller als Karamo. Kochen kann er noch nicht lang, | |
sagt er, gelernt hat er das an der Gerhart-Hauptmann-Schule. Diese Schule | |
in Kreuzberg haben Flüchtlinge vor vier Jahren besetzt. 2014 mussten viele | |
gehen, auch Lamin. Jetzt lebt er mit anderen Flüchtlingen und einem | |
Aktivisten in einer WG. | |
Die Ausbildung in der Gastroküche ist Teil des Pilotprojektes Fooddealer. | |
Annika Varadinek hat den Verein dahinter gegründet, er heißt „Bantabaa“. | |
Treffpunkt auf Mandinka, eine Sprache Westafrikas. | |
Annika Varadinek hat Jura studiert, heute kümmert sie sich hauptberuflich | |
um den Verein. Sie hat Lamin im Görlitzer Park kennengelernt. Dort führte | |
sie immer ihren Hund aus. Sie sagt, sie wollte den Flüchtlingen helfen. | |
„Ich konnte das vor meiner Haustür nicht so geschehen lassen.“ | |
„Als wir die Schule verlassen mussten, war es schwierig, einen Schlafplatz | |
zu finden“, erzählt Lamin. „Annika kam in den Park und hat gesagt: Ich | |
helfe dir.“ Sie organisierte ein Zimmer in ihrer WG für ihn. Schließlich | |
eröffnete sie ein Café und das Cateringunternehmen, in dem die Flüchtlinge | |
heute ausgebildet werden. Die Geflüchteten sollen nicht länger mit Drogen | |
dealen, sagt sie, sondern legal in Deutschland arbeiten. Das Projekt wirbt | |
mit dem Spruch „Support Your Local Dealer“. | |
In der Küche bereiten Lamin und Karamo inzwischen Domoda vor, ein | |
traditionelles gambisches Gericht. Angeleitet werden sie von Alain Gauvrit, | |
einem französischen Koch. Er ist früher viel durch Afrika gereist, hat dort | |
Musik gemacht, seine Frau hat getanzt. Er trägt einen kleinen Ring im Ohr, | |
seine Nase ist spitz, auf ihr sitzt eine Brille, die die Augen größer | |
aussehen lässt. | |
„Wenn du in Deutschland nicht selbst kochst, hast du nichts zu essen“, sagt | |
Lamin. In Afrika hätten die Frauen das Essen zubereitet, „Männer essen“, | |
sagt er. | |
Karamo dagegen hat auch in Gambia viel gekocht. Er hat alleine gelebt, da | |
musste er das. „Delicious“ sei Superkanja, eine Okraschotensuppe. Sein | |
Lieblingsessen in Deutschland ist Käsekuchen. | |
In Gambia herrscht ein verrückter Diktator, Yahya Jammeh, der glaubt, er | |
könne Aids durch Handauflegen heilen. Er kündigte außerdem an, Homosexuelle | |
in seinem Land köpfen zu lassen. Und drohte, die Mandinka auszurotten. | |
Mandinka wie Lamin und Karamo. „Wir haben nicht das Recht zu sagen, was wir | |
wollen. Wir haben nicht das Recht zu machen, was wir wollen“, sagt Lamin. | |
Deshalb ist er geflohen. | |
Domoda ist ein Gemüseeintopf mit Zucchini, Paprika, Kürbis und Karotten, | |
viel Erdnuss, einer scharfen Paste, Zwiebeln und Tomatenmark. Ein | |
Alltagsgericht in Gambia. Alles, was dort auf dem Feld angebaut wird, kann | |
darin verarbeitet werden. Praktisch ist auch: Man kann den Eintopf in | |
großen Mengen vorbereiten, denn aufgewärmt schmeckt er noch besser als am | |
ersten Tag. | |
In einem riesigen Topf erhitzt Alain Gauvrit das Öl und leert den Eimer mit | |
den Zwiebeln hinein, gibt eine Tube Tomatenmark, Brühe und das Gemüse | |
hinzu. Dann lässt er alles eine Weile köcheln. | |
Karamo und Lamin pellen in der Zwischenzeit gekochte Kartoffeln, Alain | |
Gauvrit möchte mit ihnen noch einen Auflauf machen, Kartoffeln und | |
Blumenkohl mit Béchamel-Sauce. | |
Er zeigt Karamo, wie man die Kartoffeln längs schneidet, Messer immer | |
Richtung Daumen. „So“, sagt er, und zieht die Augenbrauen nach oben. Karamo | |
sieht ihn misstrauisch an. „Ah, in 35 Jahren habe ich mich nicht einmal mit | |
dieser Methode geschnitten“, sagt Alain Gauvrit, auf seinen Sätzen liegt | |
der französische Akzent wie Puderzucker. „Aber ich bin neu!“, protestiert | |
Karamo, hebt die Hände. Dann lacht er und mit ihm alle in der Küche. | |
Es riecht nach Zwiebeln und Paprika. Jetzt muss das Domoda noch gewürzt | |
werden: Mit einer scharfen Paste aus pürierten Chilis, Tomatenmark, | |
Knoblauch und Olivenöl. Und mit Erdnusspaste. Sie ist ungesüßt und kommt | |
aus einem Asia-Shop. In Gambia hat Lamins Familie Erdnusspflanzen angebaut, | |
der Geruch erinnert ihn an zu Hause. | |
Oft macht man Domoda mit Huhn oder Rind, Karamo holt einen frischen | |
Kohlkopf aus dem Kühlschrank, „damit ist es auch super“, sagt er. Heute | |
gibt es aber Domoda pur: Zuerst schmeckt man die Erdnuss, dann den Kürbis, | |
es wird süß, die Paprika schmilzt auf der Zunge, der Eintopf liegt samtig | |
im Mund. Es kommt eine leichte Schärfe hinzu, man spürt sie hinten im Hals, | |
sie bleibt dort eine Weile. Der Reis, den man dazu isst, löscht sie ab. | |
Die Genussseite: Wir treffen uns einmal im Monat mit Flüchtlingen zum | |
gemeinsamen Essen. Außerdem im Wechsel: Jörn Kabisch befragt Praktiker des | |
Kochens. Philipp Maußhardt schreibt über europäisches Essen ohne Grenzen, | |
und taz-AutorInnen machen aus Müll schöne Dinge. | |
8 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Valerie Höhne | |
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