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# taz.de -- Was, wenn der Dexit kommt?
> Szenario Welche Folgen ein Austritt Deutschlands aus der EU hätte
Aus Brüssel Eric Bonse
Wir schreiben das Jahr eins nach dem Brexit. Die Briten sind raus aus
Europa, dank großzügiger Hilfe von Exkanzlerin Merkel haben sie weiter
einen privilegierten Zugang zum europäischen Markt. Die Niederlande und
Österreich haben auch schon den Exit beschlossen, zögern aber noch.
Wirtschaftlich von Deutschland abhängig, warten sie auf Berlin.
Dort, in der Hauptstadt des deutschen Europa, wie es mittlerweile selbst in
Brüssel genannt wird, bahnt sich eine Sensation an. CSU und AfD, die seit
der letzten Bundestagswahl die Regierung stellen, geraten unter Druck von
ganz rechts. „Deutschland raus aus der EU“, fordern die Nationalisten.
Die Wirtschaftslobby warnt zwar vor einem solchen Schritt. Doch weil der
Euro schon wieder kriselt und sich keine Mehrheit für neue Hilfskredite an
Griechenland abzeichnet, gibt die Regierung klein bei. Der Euro sei ein
Klotz am Bein, die EU nach dem Austritt der Briten nur noch ein Schatten
ihrer selbst, heißt es zur Begründung. Der „Dexit“ wird nicht einmal mit
Frankreich abgestimmt.
Das führt zu massiven Verstimmungen, aber auch zu neuen Koalitionen. Paris
arbeitet plötzlich ganz eng mit der Rest-EU in Brüssel zusammen, Berlin mit
den EU-Gegnern in London. Die Niederlande und Österreich treten ebenfalls
aus, die Osteuropäer erwägen die Gründung eines eigenen Clubs, die . Auch
die Hanse ist wieder im Gespräch, die Balten wollen sie wiederbeleben.
So weit lässt sich der „Dexit“ noch einigermaßen vorhersehen. Doch welche
Folgen hätte der EU-Austritt für Deutschland? Hier wird es spekulativ.
Für die deutsche Wirtschaft gilt: Sie würde auf einen Schlag den Zugang zum
Binnenmarkt verlieren. 500 Millionen Verbraucher wären plötzlich futsch –
oder 360 Millionen, wenn man Deutsche und Briten abzieht. Frankreich, der
wichtigste Handelspartner in Europa, wäre nicht mehr Teil desselben Markts.
Selbst wenn Großbritannien oder Holland offen blieben, würde die deutsche
Wirtschaft leiden.
Erschwert würde die Krise durch den Zusammenbruch des Euro. Eine neue
Deutsche Mark würde im Vergleich zum Alt-Euro massiv aufgewertet werden und
danach vermutlich schwere Turbulenzen durchlaufen, wegen der unberechenbar
gewordenen Lage in Europa. Die Stabilität wäre futsch, der Wohlstand wohl
auch. Das Geld, das heute in Deutschland angelegt wird, würde ins Ausland
fliehen.
Durch die Aufwertung würden deutsche Produkte für viele Europäer
unerschwinglich, was die Krise weiter verschärfen würde. Die Bundesbank
könnte nicht gegensteuern, ihr oberstes Ziel heißt ja Stabilität. Auch auf
Hilfe aus London könnte Berlin kaum hoffen. Die Briten haben in der
Geldpolitik schon immer ihr eigenes Ding gemacht, warum sollten sie nun
einspringen? Am Ende könnte nicht nur die D-Mark zurückkommen, sondern auch
Zollschranken und Grenzkontrollen könnten wieder errichtet werden.
## Die innere Kündigung
Politisch wäre der Schaden viel größer, vor allem, wenn Deutschland die
restliche EU überrumpeln und übervorteilen sollte. Es wäre eine politische
Katastrophe für ganz Europa.
Ohne die EU könnte Deutschland zwar neue Koalitionen in Europa schmieden,
etwa mit den Briten und den Balten. Doch eine „deutsche Union“ würde, das
zeigt die Geschichte, zur Bildung von Abwehrkoalitionen und neuen
Konflikten führen. Das antideutsche Ressentiment wäre wieder da, Russland
könnte sich in Europa zurückmelden, die USA und die Nato wären alarmiert.
Das alte Großmachtspiel würde von Neuem beginnen. Eine Horrorvision.
Denkbar ist auch, dass Deutschland aus der EU „herauswächst“ und nur die
„innere Kündigung“ vollzieht, ohne formal auszutreten. In gewisser Hinsicht
erleben wir das jetzt schon. Für die deutsche Wirtschaft sind China und die
USA teilweise wichtiger als der EU-Binnenmarkt. Und die deutsche Politik
macht schon jetzt oft, was sie will – ohne Rücksprache mit Brüssel.
24 Sep 2016
## AUTOREN
Eric Bonse
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