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# taz.de -- Mehr Studis, höhere Hürden
> SEMESTERSTART Die norddeutschen Universitäten haben mit immer mehr
> Bewerbern zu kämpfen: Es gibt mehr Abiturienten denn je und starke
> Zulassungs-Beschränkungen
Bild: Und dann auch noch die Flüchtlinge: Volle Hörsäle wird es an den nordd…
von Johanna von Criegern
Ihr Abi fiel schlechter aus, als geplant: Schnitt 1,6. Davon können andere
nur träumen. Doch für Johanna bedeutete diese Zahl, dass sie schwierige
Voraussetzungen bei ihrer Studienplatzbewerbung haben würde. Beworben hat
sie sich für die zulassungsbeschränkten Fächer Jura, Medizin und
Psychologie. Die Abiturientin aus Wedel gehört zum Doppeljahrgang in
Schleswig-Holstein: Dieses Frühjahr schrieben dort gleich zwei Jahrgänge
die Abiturprüfung, weil wie in den meisten Bundesländern, die Gymnasialzeit
von neun auf acht Jahre verkürzt wird.
Die Anzahl der Abiturienten verdoppelte sich in Schleswig-Holstein durch
den Doppeljahrgang zwar nicht, sie stieg im Vergleich zum Vorjahr aber
immerhin um fast 50 Prozent: Von knapp 13.000 auf 19.300. Dadurch gibt es
in diesem Jahr auch deutlich mehr Studienbewerber als sonst. Die Kieler
Christian-Albrechts-Universität, Schleswig-Holsteins einzige
Volluniversität, rechnet mit 6.500 Studienanfängern. Normalerweise sind es
5.000. Um dem Ansturm zu begegnen, will sie 1.200 neue Studienplätze
schaffen und schreibt 180 Stellen in der Lehre aus. Die neuen Studierenden
sollen in angemieteten Gebäuden untergebracht werden – zur Not sollen auch
Container her. Für einige besonders beliebte Fächer wie Sport- und
Geowissenschaften hat die Uni ab dem Wintersemester neue
Zulassungsbeschränkungen eingeführt.
Wie der Christian-Albrechts-Universität ergeht es auch anderen Hochschulen:
Die Universität Bremen bietet knapp 3.900 Plätze für Studienanfänger, die
einen Bachelorabschluss oder das Erste Staatsexamen anstreben. Bis zum
Abgabeschluss am 15. Juli trudelten jedoch 27.000 Bewerbungen für diese
Studienplätze ein.
Studieren wird immer beliebter: Von 2005 bis 2014 stieg die Zahl der
Studienanfänger bundesweit um 39,3 Prozent. In Niedersachsen waren es gar
49 Prozent. Aber immer mehr Bewerber gehen leer aus. So wie Clara. Die
19-Jährige bewarb sich für den Studiengang Gebärdensprache an der Uni
Hamburg. Zeitgleich reichte sie Bewerbungen in Hannover, Kiel und Osnabrück
ein. Am 10. August kam der letzte Ablehnungsbescheid.
Nur 18 Plätze bietet Hamburg für den Studiengang Gebärdensprache. Die
Nachfrage ist hier deutlich größer als das Platzangebot: Voriges Jahr lag
der Numerus Clausus (NC) bei einem Abischnitt von 2,8. Der NC gibt an,
welchen Notendurchschnitt die letzte zugelassene Person eines Semesters
hat. Clara dachte, dass sie mit einem Schnitt von 2,6 gute Chancen hätte.
Diesen Herbst aber liegt er bei 1,9.
Um für die steigende Anzahl an Bewerbern mehr Studienplätze zu schaffen und
die Qualität an den Hochschulen zu verbessern, haben Bund und Länder 2007
den „Hochschulpakt 2020“ beschlossen. Dabei unterstützt der Bund die
Hochschulen finanziell stark, die Länder steuern einen Teil bei und sind
für die Verwaltung der gesamten Gelder verantwortlich. Einige Bundesländer
schließen mit ihren Universitäten noch weitere Vereinbarungen. Zum Beispiel
verpflichtete sich die Universität Hamburg, seit 2013 und noch bis 2020
jedem ihrer Bachelor-Absolventen einen Masterstudienplatz zuzusichern.
Dafür erhält sie jährlich finanzielle Unterstützung des Senats. Ein Teil
der Gelder kommt aus dem Hochschulpakt.
Die Förderung von Bund und Ländern lässt aber den NC nicht sinken. Weil die
Nachfrage wächst, sorgt der bestehende Mangel an Studienplätzen für immer
neue und höhere Zulassungsbeschränkungen. Clara hat sich jetzt eine
Anwältin gesucht und gegen ihren Ablehnungsbescheid Widerspruch eingelegt.
Ob sie damit Erfolg hat, weiß sie erst in einigen Wochen, wenn das Semester
schon längst begonnen hat. Falls es nicht klappt, will sie ein Jahr jobben
und sich dann noch einmal bewerben – in Hamburg und Berlin. An dem
Hamburger Studienplatzangebot von 18 Plätzen für Gebärdensprache kritisiert
sie: „Das ist kleiner als eine normale Schulklasse.“
Wenn Clara auch im nächsten Jahr nicht genommen wird, muss sie sich nach
einem anderen Studiengang umgucken. Und ihr Wunschstudium aufgeben. Sie
wäre nicht die Einzige. Viele Abiturienten haben gar keine andere Wahl. Vor
allem wer Humanmedizin studieren möchte, hat schlechte Karten. Der Stiftung
für Hochschulzulassung zufolge liegt der NC für Medizin dieses Jahr in 14
Bundesländern bei 1,0. Hamburg und Bremen gehören dazu.
Johanna hat sich gleich für mehrere Studiengänge an verschiedenen Orten
beworben. Für Medizin wurde sie zwar abgelehnt, zwei Universitäten nahmen
sie aber für Psychologie an und in Hamburg erhielt sie einen Platz für
Jura. Für Oktober ist sie hier eingeschrieben.
Wer abgelehnt wurde, kann aber noch im Nachrückverfahren Erfolg haben:
Viele Bewerber schicken mehrere Bewerbungen ab und erhalten auch mehrere
Angebote von verschiedenen Universitäten. Letztendlich schreiben sie sich
nur an einer Universität ein. So bleiben Plätze für Nachrücker frei.
Um solche Mehrzulassungen zu verhindern, gibt es seit einigen Jahren das
„Dialogorientierte Serviceverfahren“ (DOSV) der Stiftung für
Hochschulzulassung: Über ein Internetportal sollen sich Interessierte bei
den Universitäten bewerben. Wenn sie mehrere Angebote erhalten, müssen sie
sich schnell entscheiden. Die anderen Plätze können dann an andere Bewerber
vergeben werden – ohne dass diese vorher einen Ablehnungsbescheid erhalten.
Es ist ein weiterer Schritt, um vielen Abiturienten den Einstieg in ihr
Wunschstudium zu ermöglichen. Egal, mit welchem NC.
1 Oct 2016
## AUTOREN
Johanna von Criegern
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