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# taz.de -- Berliner Szenen: Schlange Kaiser's
> Aus der Zukunft
Nachmittags bei Kaiser’s in der Schlange. Lediglich eine Kasse ist
geöffnet, es staut sich. Eine Frau Anfang zwanzig kommt mit vollem
Einkaufswagen an eine unbesetzte Nebenkasse und beginnt, ihre noch nicht
bezahlten Waren in Tüten zu packen. Stellt die beiden vollbepackten Tüten
aufs Band. Wartet. Es passiert: nichts.
Als die Kassiererin die Frau bemerkt, bittet sie sie, doch bitte
herüberzukommen: Die Kasse, die sie sich zum Bezahlen ausgesucht habe, sei
auf absehbare Zeit nicht besetzt. Die Frau versteht nicht. Die Kundin
hinter mir übersetzt ins Englische.
Die Frau kommt nun also herüber, überholt dabei sämtliche Wartenden,
inklusive mir, stellt ihre Tüten aufs Band. Die stoische Kassiererin bittet
die Frau, ihre Tüten wieder auszupacken. Die Frau versteht nicht. Die
Kundin hinter mir übersetzt ins Englische. Die Frau packt ihre Tüten wieder
aus. Die Kassiererin zieht die Waren übers Band. Die Frau packt sie wieder
ein, bezahlt und geht.
Offensichtlich scheint die Frau, offensichtlich ist sie neu in Berlin, aus
einer Welt zu kommen, in der Einkaufen anders funktioniert, besser,
stressfreier; in der Anstehen, Warten und KassiererInnenkontakt auf ein
Minimum reduziert sind. Ein auch nur annähernd adäquates Serviceniveau in
Berlin anzutreffen, wird für sie leider unmöglich sein.
Was wird passieren, wenn sie versucht, einen Termin beim Berliner Bürgeramt
zu bekommen und feststellt, dass sie dafür sechs Wochen warten muss? Nur um
dann, endlich im Bürgeramt angekommen, zu begreifen, dass Termin nicht
wirklich Termin bedeutet und das Warten nun einfach weitergeht. Womöglich
wird sie spätestens dann, zutiefst erschrocken ob der hiesigen,
vergleichsweise steinzeitlichen Verhältnisse, das Weite suchen und Berlin
für immer den Rücken kehren.
Andreas Resch
29 Sep 2016
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Andreas Resch
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