# taz.de -- Die Macht der Musik | |
> KinoAus Liebe zum Techno haben Anoosh und Arash ihre Heimat verlassen. | |
> Das dokumentiert der Film „Raving Iran“, der am Montag Premiere feierte | |
Zwei Männer in einem Auto werden von der Polizei angehalten. Ihre Papiere | |
werden geprüft. Wie schnell ihre Herzen dabei geklopft haben müssen, hört | |
man nicht. Als sie weiterdürfen, fahren sie unter Brücken hindurch, die mit | |
meterhohen Fahnen in Grün-Weiß-Rot gesäumt sind, vorbei an Wandbildern von | |
Ajatollah Chomeini und Ali Chamenei. Musik setzt ein: Es ist ein | |
Deep-House-Stück des Berliner DJs Nu. „Man O To“ heißt es, darauf sind | |
Verse des persischen Dichters Rumi zu hören. | |
Rumis Gedicht „Ich und du“ stammt aus dem 13. Jahrhundert. Rumi besingt | |
darin den Sternenhimmel. Seine Zeilen wehen wie bei einer Fahrt mit offenem | |
Verdeck durch die Haare – und plötzlich scheint die iranische Sittenpolizei | |
weit weg, die jedes Jahr Hunderte von Menschen verhaftet, „im Kampf gegen | |
satanistische Partys, frivole Kleidung und obszöne CDs“, wie es in einer | |
Texteinblendung zu Beginn von „Raving Iran“ heißt. | |
Musik, die nicht vom Staat lizenziert wurde, gilt als illegal. „Ein | |
spezielles Gesetz gibt es zwar nicht, doch Westliches von Kleidung über | |
Musik ist zensiert“, sagt Anoosh, 29, DJ aus Teheran, im Gespräch. Techno | |
existiere zwar, doch nur als Underground-Musik. Über ein Jahr hinweg | |
begleitete Susanne Regina Meures ihn und seinen Freund Arash, 26 – vom | |
Wüstenrave zu Privatpartys zeigt sie, wie die beiden DJs Wege suchen, um | |
ihrer Leidenschaft nachzugehen. Nachdem Anoosh jedoch wegen seiner | |
DJ-Aktivitäten immer wieder in Konfrontation mit den Behörden gerät und | |
vorübergehend inhaftiert wird, planen sie auszureisen. Sie bewerben sich | |
mit ihrem Album „Deepcut“ bei ausländischen Musikfestivals und werden in | |
die Schweiz zur Zürcher „Lethargy“ eingeladen. | |
Inzwischen sind die beiden in der Schweiz. Zwei Jahre lebten die jungen | |
Männer in Duldung, bis ihnen vor Kurzem Bleiberecht eingeräumt wurde und | |
sie ihr Asylbewerberheim in Graubünden verlassen durften. Auflegen konnten | |
sie in der Zwischenzeit nur, wenn sie auch eine Reiseerlaubnis hatten. Nun | |
wollen sie nach Berlin ziehen. | |
## Eingenähtes iPhone | |
Die teils wackeligen Aufnahmen von „Raving Iran“ hat Susanne Regina Meures | |
mit eingenähtem iPhone und Spiegelreflexkamera gedreht: „Ich wollte eine | |
Generation beleuchten, von der man nur wenig weiß.“ Fünfmal reiste sie | |
dafür in die Islamische Republik. Das Videomaterial ließ sie verschlüsselt | |
auf verschiedenen Festplatten nach Europa transportieren. Mit ihrer | |
Dokumentation kommt sie dem Leben junger Iraner nah – die sich wie ihre | |
Altersgenossen in Europa ausleben möchten und Liebeskummer haben. So nah, | |
dass man zwischendurch Zweifel bekommt, ob es Folgen hat, möglicherweise | |
Verfolgungen drohen – auch wenn potenziell gefährliche Szenen verpixelt | |
sind. | |
In diesem Jahr sind gleich drei Dokumentationen aus dem Iran in deutschen | |
Kinos zu sehen, die sich mit Musik als Ausdrucksform der jungen Generation | |
beschäftigen. Im Vergleich zu „Sonita“, bei der eine junge Frau dagegen | |
anrappt, nicht zwangsverheiratet zu werden, wirken die Probleme von Anoosh | |
und Arash beinahe luxuriös. | |
„Raving Iran“ zeigt aber, dass selbst DJ zu sein im Iran politisch geworden | |
ist, allein aus dem Grund, dass Technopartys dem Regime ein Dorn im Auge | |
sind. Die Feierkultur verbindet, und so kommt der Film im hedonistischen | |
Berlin gut an. In der Griessmühle war er zu sehen, am Montag hatte er in | |
der Volksbühne Premiere. | |
Anoosh und Arash sind der Willkür ihres Heimatlandes entflohen, eines | |
Landes, in dem offiziell Partys und Alkohol verboten, aber möglich sind, | |
wenn man die richtigen Kontakte hat. | |
„Raving Iran“ ist ein Film über die Macht der Musik und eine Dokumentation | |
über zwei Männer, die nicht aufgeben wollen. | |
Natalie Mayroth | |
„Raving Iran“. Regie: Susanne Regina Meures. Schweiz 2016. 84 Minuten. Ab | |
Donnerstag im Kino, etwa im Central | |
28 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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