Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Spaß haben, deprimiert sein, aber bereit für Rock ’n’ Roll
> AUFTAKT Da ist noch Luft nach oben: Erste Eindrücke vom Festival
> „Pop-Kultur“ in Berlin
Das Festival „Pop-Kultur“ ist eine Berlinale en miniature: Wie bei den
Filmfestspielen gibt es jede Menge Premieren. Gestern Abend stellte etwa
der britische Pop-Künstler Metronomy neues Material vor.
Flankiert wird der Konzertteil von Podiumsdiskussionen zur Musikökonomie
und Popgeschichte. Was also ist Pop-Kultur? Eine Antwort versucht Michael
Müller (SPD), amtierender Regierender Bürgermeister von Berlin, bei seinem
Grußwort. Trotz Wahlkampf kam er zur Eröffnung im Vollgutlager, einer
„Eventlocation“. Ein typischer Auftritt: Selbst wenn er Berlin zur „Stadt
der Freiheit“ erklärt, hat man den Eindruck, Müller denkt dabei stets an
die ordnungsgemäße Verwaltung dieser Freiheit. Ganz anders die Neuköllner
Bezirksbürgermeisterin, Franziska Giffey, die mit „Hallo Neukölln“ auf die
Bühne stürmt und damit ein Call-and-Response initiiert. Vielleicht liegt es
daran, dass Neukölln auf einem Banner im Eingangsbereich in eine Reihe mit
London, New York und Tokio gestellt wurde.
## Bedrohlich dräuend
Eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn von Pop hatte zuvor beim
Auftaktkonzert die schottische Post-Rock-Band Mogwai bei ihrem Konzert im
Admiralspalast gegeben. Ihr Soundtrack zum Film „Atomic – Living in Dread
and Promise“ feierte Deutschlandpremiere. Er setzte etwas zu sehr auf
emotionale Überwältigung durch Bilder. Die Band dagegen spielte
konzentriert ihre bedrohlich dräuenden Tracks. Das Quartett fügte das
Quäntchen Uneindeutigkeit und Subtilität hinzu, das den Bildern fehlt. Die
konzeptuelle Herangehensweise der Band zeugte davon, dass das Festival
durchaus eine Schnittmenge zwischen Hoch- und Popkultur sucht.
Während die Eröffnungsparty im Vollgutlager noch lief, hatte andernorts
bereits das Programm begonnen. Im Prachtwerk, einem kleinen Neuköllner
Café, stellte der britische Musikjournalist Jon Savage sein neues Buch
„1966“ vor, das ein Schaltjahr des Pop seziert. „Pop’s fun. It’s supp…
to be fun“, sagte Savage und gab damit – ganz auf Giffeys Linie – die
Losung des Festivals vor. Die Umsetzung dieses Gedankens sollte dann im
Huxley’s Neue Welt folgen.
Zunächst war die Halle nur halb gefüllt, sodass sich die Indie-Popper von
Roosevelt und ihre Mischung aus Gitarren und Synthies als wirkungslos
herausstellten, bis sie am Ende warm gespielt waren und etwas kantiger
klangen. Wie das nachfolgende Trio Brandt Brauer Frick litt der
Roosevelt-Auftritt unter einem leisen Sound. Den technolastigen Tracks von
Brandt Brauer Frick fehlte dadurch die Wucht. Das Publikum blieb gelassen.
War das der versprochene fun?
Passend widmete sich eine Diskussionsrunde derweil dem Thema „Pop &
Depression“. Als Moderator begrüßte der Journalist Andreas Müller das
spärliche erschienene Publikum im Passage-Kino mit dem Satz: „Das ist
deprimierend.“ Außerdem meldete sich die Autorin Katja Keßling krank. So
sprach Müller nur mit der Hälfte der Band Isolation Berlin. Es wurde dann
doch ganz lustig, was am Zynismus von Müller und der Offenheit des Sängers
Tobias Baborske lag. Zurück zum Spaß. Heiß, voll und stickig war es in dem
schlicht Keller genannten Club bei den kanadischen Garage-Poppern von Nancy
Pants. Heiß, voll und stickig war es auch bei Ezra Furman, der im Schwuz
verkündete: „I’m ready to rock ’n’ roll!“ und dies sogleich in die T…
umsetzte. Bezüglich der Publikumsgunst setzten sich bis jetzt die Gitarren
gegen Laptop-Künstler_innen wie Deadbeat und Sassyblack, die nacheinander
im Raum nebenan spielten, durch. Dafür konnte man dort das Gefühl haben, in
Sachen Hipness und Auskennertum ganz vorn zu sein. Sogar der Regierende
Bürgermeister kam noch mal vorbei. Endlich fun allerorten! Elias Kreuzmair
2 Sep 2016
## AUTOREN
Elias Kreuzmair
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.