# taz.de -- Leipziger Kloppschule schlägt Tuchel | |
> Bundesliga Beim Heimdebüt des Leipziger Fabrikantenclubs unterlag der | |
> Favorit aus Dortmund nicht unverdient durch ein Tor kurz vor Schluss. | |
> RB-Trainer Hasenhüttl hat das Spiel ganz besonders fertiggemacht | |
Bild: Brauseboys in Erwartung der Sektdusche nach dem 1:0-Sieg | |
Aus Leipzig Martin Henkel | |
Er sah nicht gut aus, der Ralph Hasenhüttl, gar nicht gut. Der Trainer von | |
RB Leipzig saß nach seinem ersten Spiel als Trainer des Aufsteigers RB | |
Leipzig wie ausgegossen auf der Pressekonferenz. Die Wangen blass, die | |
Augen müde, Schweiß rann an den Schläfen hinab. | |
Lag vielleicht am tropischen Wetter im Raum, vielleicht auch an der | |
Erkältung unter der Woche, aber dieser Sprint zur Eckfahne hatte ihm | |
eindeutig den Rest gegeben. 89. Minute, Tor für Leipzig durch Naby Keita, | |
das einzige im Spiel gegen Borussia Dortmund. Hasenhüttl war über den | |
halben Platz gelaufen, volles Tempo, um sich auf die Protagonisten des | |
Siegtors zu werfen. | |
Er freue sich sehr, sagte Hasenhüttl, aber seine Mimik schaffte es nicht, | |
das abzubilden. „Dieser Sprint, den krieg ich gerade nicht aus dem Körper.“ | |
Es ist ein einigermaßen seltsames Bild gewesen, das diese Trainerrunde nach | |
der Partie vermittelte, weil neben Hasenhüttl Thomas Tuchel saß; und | |
während der Österreicher mit seiner Erschöpfung rang, wirkte der | |
schwäbische Trainer der Dortmunder Borussen so frisch wie vor der Partie. | |
War gebräunt, schwitzte nicht, saß entspannt in seinem Stuhl. Die | |
Niederlage sei ärgerlich, sagte er, aber er selbst unzufrieden? Nein. „Ich | |
fand unser Spiel nicht so schlecht, dass man jetzt die Hände über dem Kopf | |
zusammenschlagen muss.“ | |
Unterschiedlicher hätten Tuchels Haltung und Hasenhüttls Gesamtzustand gar | |
nicht ausfallen können, und wer sich das Spielergebnis noch einmal vor | |
Augen führte, der hätte meinen können, beide säßen jeweils auf dem Stuhl | |
des anderen. Doch so paradox das auch Samstagabend klang, beide Trainer | |
hatten schon vor der Partie versucht, weniger hineinzulegen, als drin war. | |
Für den BVB war das die Reise als Favorit zum sächsischen Neuling, von dem | |
keiner so recht weiß, was in ihm steckt. | |
Und für RB war es das erste Oberhaus-Spiel der Vereinsgeschichte – volles | |
Stadion, prall gefüllt mit Euphorie und Erwartungen. Hasenhüttl hat keine | |
guten Erinnerungen an sein Erstligadebüt vor einem Jahr mit dem FC | |
Ingolstadt. Auch damals volles Haus, auch gegen den späteren Vizemeister, | |
Endstand 0:4. | |
Doch das waren die Themen von außen, innen ging es in dieser Partie für | |
beide hauptsächlich um eines: lernen und sehen, was man schon hat und was | |
nicht. Hasenhüttl sagte: „Wir wollten vor allem für uns wissen, wo wir | |
stehen.“ Tuchel sagte: „Wir brauchen solche Stresssituationen, nur so | |
wachsen wir.“ | |
Tuchel freilich wird mit diesem Resümee weniger leicht davonkommen als sein | |
Berufskollege. Der BVB ist seit geraumer Weile Titelkandidat und erster | |
Bayern-Jäger. Und jetzt: Zwei Spieltage sind gerade einmal gespielt, und | |
schon ist der FC Bayern wieder drei Punkte weg. | |
Dabei hat der Dortmunder Coach momentan einfach andere Prioritäten. Tuchel | |
hat diesen Sommer seinen Kader umgebaut, sieben neue Spieler musste er in | |
Lücken einpassen, die drei abgewanderte Stammkräfte hinterlassen haben. Und | |
Umbauarbeiten brauchen nun mal ihre Zeit. Zumal er auch noch den Renegaten | |
Mario Götze wieder bekommen hat, was eine Umbauarbeit für sich ist. Der | |
Rückkehrer bekam gestern seinen ersten Startelf-Einsatz im BVB-Dress. Er | |
spielte 71 Minuten, 45 davon wie früher bei Dortmund, agil, klug, gewitzt, | |
die anderen eher wie zuletzt bei den Bayern. „Er hat mir gut gefallen in | |
der ersten Halbzeit“, sagte Tuchel. Für Götze kam Europameister Raphael | |
Guerreiro; Shinji Kagawa musste verletzt passen. | |
Es ist ja tatsächlich kein übler Auftritt des BVB gewesen, Tuchel hat sehen | |
können, dass sein Schnittstellen-Fußball funktionieren kann. André Schürrle | |
verpasste mit zwei Schüssen die Führung jeweils nur um Millimeter. Gegen | |
die Leipziger Pressingmaschine ist das nicht wenig gewesen, RBs aus allen | |
Poren schwitzender Sechser Diego Demme beschrieb den taktischen Ansatz des | |
Aufsteigers so: „Wir haben den Dortmundern richtig auf den Füßen gestanden. | |
So wollten wir es machen.“ | |
Dass RB damit Fußball spielt wie der BVB unter Tuchels Vorgänger Jürgen | |
Klopp, ist dabei etwas gewesen, das auch der Rest der Fußballrepublik aus | |
diesem Spiel lernen konnte. Die Sachsen haben gewonnen und hatten dabei nur | |
35 Prozent Ballbesitz. „Das wird charakteristisch werden für unser Spiel“, | |
sagte Hasenhüttl, „die Arbeit gegen den Ball und dann bei Balleroberung | |
schnell umschalten.“ | |
Einen wird es erheitert haben, dass diese Charakteristik so schnell schon | |
so gut geklappt hat: Ralf Rangnick. RBs Sportdirektor wurde gefragt, ob | |
intern jetzt die Ziele Richtung Europapokalplätze verschoben werden. | |
Rangnick schaute ungläubig. Von wegen! Dieses Spiel ist zum Lernen da. „Vor | |
drei Jahren noch haben wir gegen Union II auf einem Schulsportplatz | |
gespielt“, sagte Rangnick. „Wir werden uns jetzt ordentlich freuen. Und wir | |
werden nicht vergessen, wo wir herkommen.“ | |
12 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Martin Henkel | |
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