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# taz.de -- BASKETBALLDie Nationalmannschaft steckt tief in der Krise. Heute en…
aus Bamberg und Berlin Sören Haberlandt
Ich glaube nicht, dass es am Talentlevel liegt. Es ist eine Frage der
Identifikation mit der Nationalmannschaft.“ Dieses Urteil über das
schlechte Abschneiden der deutschen Basketballnationalmannschaft in der
bisherigen EM-Qualifikation fällt Frank Menz. Der ehemalige Bundestrainer,
aktuell ist er Sportdirektor beim Basketball-Bundesligisten in
Braunschweig, vermisst bei den Spielern Intensität und Leidenschaft. Der
negative Höhepunkt war neulich die Niederlage mit 102:106 gegen
Basketball-Zwerg Dänemark. „Ich war erschrocken, dass man gegen Dänemark
verloren hat. Man sollte gegen Dänemark gewinnen“, zeigte sich nicht nur
Pascal Roller, ehemaliger Nationalspieler, erstaunt. Danach hagelte es
Kritik.
„Ich bin einverstanden, wenn die Kritik konstruktiv ist. Aber ich glaube
weiterhin, dass die Medien die Sportler, die bereit waren, für Deutschland
zu spielen, mehr hätten unterstützen müssen“, sagt Bundestrainer Chris
Fleming. „Ich weiß nicht, warum man irgendwelche Menschen beschimpfen
muss“, findet Paul Zipser, der jetzt bei den Chicago Bulls sein Glück
sucht. „Wir haben gegen Dänemark nicht gut gespielt, das wissen wir
selber.“
Am Mittwoch stand das erste Finale gegen das zweitklassige Team aus
Österreich an. Ein Sieg musste her. Vorm Spiel tanzte Maskottchen Siggi
ausgiebig zur lauten Musik. Rhythmisch klatschten seine Adlerschwingen
aneinander, die 3.117 Zuschauer in der nicht einmal halb gefüllten Arena in
Bamberg fielen zaghaft mit ein. Die Spieler standen verloren in der Ecke,
blickten sich nervös um.
Am Ende siegte Deutschland deutlich mit 78:58. „Wir wollten etwas ändern,
das haben wir heute getan“, resümierte Zipser nach dem Spiel. „Wir als
Gesamteinheit haben uns deutlich verbessert“, stimmte Fleming mit ein. 15
teils slapstickartige Ballverluste sprachen aber eine andere Sprache. “Auch
die Reboundarbeit ist noch nicht das, was wir erwarten“, gab Fleming zu.
Beruhigen wird dieser Sieg die Kritiker deshalb nicht. Der Unterschied war
nicht so deutlich, wie es das Ergebnis vermuten lässt. Der kommende Gegner
aus den Niederlanden gilt als härtester Brocken in der Gruppe (Samstag, 19
Uhr, sportdeutschland.tv). Das zeigte schon das Hinspiel, es endete 71:75.
Für die Niederlande.
Die Defizite sind hausgemacht: Nach Absagen des NBA-Stars Dennis Schröder,
von Per Günther, Anton Gavel und anderen folgte vor der Partie gegen
Dänemark Tibor Pleiß. „Ich gebe zu, es gibt bessere Zeitpunkte, das Team zu
verlassen,“ sagte der Center einsilbig zur Begründung der Abreise. Die
Suche nach einem neuen Verein war ihm wichtiger als die Unterstützung
seiner Kollegen. „Ich sage nur einen Satz dazu“, führte Fleming sichtlich
genervt aus: „Ich erwarte von einem Nationalspieler, wenn er kommt, dass er
es zu Ende bringt. Das sind wir einander schuldig.“
Das Team verfügt nur noch über einen Center und keinen echten Point Guard.
Der 24-jährige Maodo Lo muss die Spielmacherrolle ausfüllen, obwohl er
eigentlich auf einer anderen Position spielt. „Er hat es sehr gut gemacht“,
zeigte sich Fleming zufrieden. Doch die Unruhe wird bleiben – auch im Falle
der EM-Qualifikation. Die Absagen wichtiger Spieler und auch das belastete
Verhältnis zwischen dem Deutschen Basketball-Bund und der
Basketball-Bundesliga stehen im öffentlichen Fokus.
„Die Kritik von außen“, behauptete Fleming, „ist nie an den Kern
herangekommen.“ Der ehemalige Nationalspieler Steffen Hamann glaubt das
allerdings nicht: „Dass die Spieler keine Ansagen machen, liegt daran, dass
sie sich schützen wollen. Keiner lässt die Unzufriedenheit raus. Es fehlen
Typen!“
Hamann, 131-facher Nationalspieler, sieht die Profis in der Pflicht. „Es
ist für mich inakzeptabel, wenn die Spieler nicht für Deutschland spielen
wollen!“ Früher habe es einen großen Konkurrenzkampf gegeben. Absagen waren
nur okay, „wenn es etwas Familiäres gab“. Oder Verletzungen. Spieler, die
spontan abreisten oder, obwohl sie fit waren, nicht kommen wollen, gab es
nicht. „Das ist dann auch eine Charakterfrage“, sagt Hamann. „Wir haben u…
damals selbst an der Ehre gepackt, egal was kam. Jeder ist gerne gekommen.“
Als Vorbild sieht er Nowitzki, der immer da war, wenn es wichtig wurde:
„Die Spieler haben heute einfach eine falsche Einstellung“, sagt er.
Spieler, die bei der EM-Quali nicht antreten, sollten auch bei den großen
Turnieren nicht antreten dürfen. „Es muss ein Zeichen gesetzt werden.“ Das
sieht auch Menz so: „Wer nicht spielen will, soll es dann halt komplett
bleiben lassen.“ Problematisch ist für ihn, dass bereits für Jugendspieler
die Karriereplanung wichtiger ist, als Nationalmannschaftsspiele. „Trainer
erzählen ihnen von der NBA, so dass sie im Sommer in den USA bleiben.“
Daran scheiterten viele junge Spieler.
Die Probleme des Teams liegen aber tiefer. „Seit Jahren sagen viele Spieler
ab“, konstatiert Roller. Die jetzige Situation ist der Höhepunkt einer
langjährigen Fehlentwicklung. „Vielleicht ist es der Druck, der von den
Vereinen kommt“, spekuliert Hamann. Eine Tendenz, die auch Menz sieht. Die
Teams in der BBL und NBA wollen ihre Spieler nicht abstellen, da die Gefahr
von Verletzungen und einer schlechten Saisonvorbereitung schlicht zu groß
sind. Es könnte aber auch Fleming selbst sein, der durch seine Anstellung
als Assistenztrainer in der NBA die Spieler nicht durchgehend betreuen kann
– auch wenn er unter Spielern und Offiziellen eine hohe Wertschätzung
genießt. „Die jetzige Konstellation ist schwierig. Es wäre besser, wenn er
immer und zu jeder Zeit bereitstehen könnte“, kritisiert Hamann. Ein
Trainer „muss die Jungs bei Laune halten“. Aber nicht nur die Spieler und
Trainer stünden in der Pflicht. „Die Funktionäre beim DBB nehmen es zu
locker. Spieler werden verwöhnt. Es braucht auch mal Zucht und Ordnung.“
Heute tritt die Nationalmannschaft also zum letzten EM-Qualifikationsspiel
an. Es geht um alles oder nichts. Um das Weiterkommen zu garantieren, muss
die deutsche Mannschaft gegen den Weltranglisten-84. mit fünf Punkten
Vorsprung gewinnen. Ansonsten ginge die Rechnerei los: Die vier besten der
sieben Gruppenzweiten qualifizieren sich in einem unübersichtlichem
Quervergleich auch für die EM im kommenden Jahr. Deutschland liegt aktuell
auf Rang 5. „Darauf wollen wir uns am besten nicht einlassen“, sagt
DBB-Präsident Ingo Weiss. Nur ein Sieg zählt.
„Wir werden kein perfektes Spiel abliefern“, prognostiziert Fleming „aber
wir werden in der Lage sein, das Spiel zu gewinnen.“ Doch selbst, wenn die
Mannschaft die EM erreicht, wird die Unruhe nicht weichen. „Man muss sich
nach der Qualifikation an einen Tisch setzen und über alles sprechen“,
fordert Hamann. „Es muss an jedem Rädchen gedreht werden. Momentan ist
alles nur Larifari.“ Und weiter: „Vielleicht muss es verpflichtend sein,
dass die Spieler kommen, dann gäbe es keinen Zwist zwischen Vereinen,
Spielern und Verband“, schlägt Roller vor. Andere Mannschaften bekämen es
ja auch hin, „Spanien zum Beispiel“.
Aber zuerst muss heute gewonnen werden. „Ich will eine Mannschaft sehen.
Die Spieler müssen Feuer in den Augen haben. Ich erwarte eine Kampfansage.
Wer ist denn die Basketballnation?“, fragt Hamann. Holland, findet er, ist
keine.
17 Sep 2016
## AUTOREN
Sören Haberlandt
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