# taz.de -- Klare Kante statt glatt gebügelt | |
> Werkstatt Wie es ist, die Kür von taz Panter Preisträger*innen | |
> vorzubereiten: gelegentlich kompliziert, aber am Ende immer mitreißend | |
> und ermutigend. Bericht von einem, der die Hintergründe der Organisation | |
> kennt | |
Bild: Mehr als Wortfetzen – diese taz-Zeitungsschnipsel bilden den Mantel fü… | |
von Jakob Werlitz | |
Unser Dank geht an alle von der Organisation, gerade mit uns hattet Ihr ja | |
eine Menge Geduld, und ich bin mir sicher, auch wir haben Euch etwas Nerven | |
gekostet“ – ja, es ist wahr, so denken wir bisweilen, wenn wir auf unsere | |
Arbeit ein Feedback bekommen: Manchmal, da machen sie es uns nicht einfach. | |
Da wollen wir ihnen ein ganz besonderes Wochenende in Berlin ermöglichen – | |
mit komfortabler Anreise, gutem Essen, gehobenem Hotelstandard. Alles | |
bereits im Vorfeld gebucht. Und sie? Sie wollen lieber zu zehnt mit dem | |
Fernbus fahren, bei Freunden übernachten und sowieso: kleine Brötchen | |
backen, gemäß dem Motto „Wir sind ja nicht die Einzigen, die sich | |
engagieren.“ | |
Auch auf der Bühne, wo wir als OrganisatorInnen längst nicht mehr | |
eingreifen können, läuft mit unseren Nominierten nicht immer alles nach | |
Plan A. Der eine raucht, die andere hält ein etwas zu ausgedehntes | |
Plädoyer, und manchmal kommt unerwarteter Besuch. | |
So ist das, wenn man keine bühnenerprobte PR-Profis nominiert, die wie | |
selbstverständlich mit der Kamera flirten und es gewohnt sind, vor Publikum | |
zu sprechen. Zumeist sind unsere Nominierten nämlich ein anderer Schlag | |
Mensch – bescheiden, unprätentiös, wenig Aufhebens machend um die eigene | |
Person. Sie haben sich das, was sie leisten, selbst angeeignet. Sie wurden | |
durch kontinuierliche Arbeit und Beharrlichkeit zu Experten ihres Fachs und | |
blieben sich dabei stets treu – und dies bedeutet eben auch, dass sie ihre | |
Kanten bewahrt haben. | |
Sie sind nicht immer unkompliziert, sondern auch stur, unangepasst, laut | |
und eigenwillig. Sie beschreiten – genau deshalb – neue Wege, im Denken wie | |
im Handeln. Und genau das ist es, was sie so gesund und notwendig für | |
unsere zu Konformismus und Politikverdrossenheit tendierende Gesellschaft | |
macht. Genau deshalb machen sie die Dinge, wie sie sie eben machen. Und | |
eben dafür nominieren wir sie Jahr für Jahr. | |
Für uns werden sie zu den Gesichtern hinter Schlagwörtern wie Ehrenamt, | |
Zivilgesellschaft und Willkommenskultur. Und wir freuen uns alljährlich auf | |
den Moment, in dem wir sie – vier Monate nach der Nominierung – dann live | |
und in Farbe kennen lernen dürfen. Nach vier Monaten, in denen wir uns viel | |
mit ihnen beschäftigen, mit ihnen korrespondieren, ab und zu telefonieren. | |
Vier Monate, in denen wir jedes der sechs Porträts immer und immer wieder | |
lesen, Fotos zurechtschneiden, Videos verbreiten. Und wenn wir dann am Ende | |
denken, ich kenne diese Person und ihr Projekt nun in und auswendig, genau | |
dann lernen wir diese Menschen erst richtig kennen. | |
Manche sind dann ernsthaft, zurückhaltend oder nervös, andere gesprächig | |
und voller Energie. Was sie jedoch alle eint – und das merkt man von Anfang | |
an –, ist das Bedürfnis, nicht nur sich selbst der oder die Nächste zu | |
sein, sondern Gerechtigkeit einzufordern, herzustellen und über die Grenzen | |
des eigenen Gartenzauns hinweg aktiv zu sein. | |
Mancher mag sie als Gutmenschen mit lässiger Handbewegung in eine hässliche | |
Schublade schieben. Doch es braucht diese Enthusiasten und Querdenker, die | |
im Kleinen die Grundlage dafür bereiten, dass wir im Großen in einer | |
offenen Gesellschaft leben können. Es ist uns, auch oder gerade weil es | |
nicht immer unkompliziert ist, eine Ehre, mit ihnen zusammenzuarbeiten. | |
Denn wenn sie auch nicht die Einzigen sind, die etwas bewegen, sind sie mit | |
ihrer Unangepasstheit doch immer noch die Ausnahmeerscheinung. | |
27 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Jakob Werlitz | |
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