# taz.de -- Mehr Hilfe und Aufmerksamkeit | |
> Panter Preis 2015 Ihr größter Wunsch wäre es, selber endlich | |
> überflüssigzu werden. Doch danach sieht es für Watch The Med noch längst | |
> nicht aus | |
Bild: Notruf, Ortung, Rettung: die Aktivist*innen von Watch The Med bei der Arb… | |
Täglich mit dem Notruftelefon mit Flüchtlingen sprechen, die in Seenot | |
sind: Das ist der Kern der Arbeit von Watch The Med Alarm Phone seit fast | |
zwei Jahren. Die Initiative informiert die Küstenwache am Mittelmeer über | |
genaue Standorte und überwacht die Rettungsaktionen. | |
Auf einer Dachterrasse in Berlin-Kreuzberg, wo viele | |
Menschenrechtsnitiativen ihre Büros haben, berichten Carla und Tamino von | |
Watch the Med, wie das Jahr für sie nach dem Panter Preis weiterging. | |
Als im Spätsommer bis Winter 2015 vermehrt Flüchtende nach Europa | |
übersetzten, gingen täglich zwischen zehn und zwanzig Notrufe bei ihnen | |
ein. Über Telefon, Facebook oder Whatsapp nahmen die Flüchtenden mit ihnen | |
Kontakt auf. Die Anrufe kamen von Booten auf der zentralen Mittelmeerroute | |
zwischen Libyen und Italien, der westlichen Route zwischen Marokko und | |
Spanien und vor allem aus der Ägäis. Dort setzen an der türkischen Küste | |
viele auf griechische Inseln über. | |
Weil sie sich mit Initiativen rund um das Mittelmeer und auf der | |
Balkanroute vernetzten, konnten die Watch-the-Med-Leute 1.200 Anrufe – so | |
viele waren es im vorigen Jahr – auffangen, berichten Tamino und Carla. In | |
den Abfahrtsländern haben sich zudem Hilfsgruppen von Menschen gegründet, | |
die selbst geflohen sind. | |
Mittlerweile hat sich Watch the Med stark vergrößert. Neue Ortsgruppen sind | |
in Köln, im Wendland, München sowie in Sofia, Oujda, Istanbul und Izmir | |
entstanden. | |
Die Arbeit dauert an, 120 Freiwillige haben nach wie vor viel zu tun. Aus | |
allen drei Mittelmeer-Regionen gehen weiterhin Anrufe beim Alarmphone ein. | |
Dabei sei die Todesrate in den letzten Monaten stark angestiegen, sagt | |
Tamino. Das zeigen auch die Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR: 2016 | |
starben bereits mehr als 3.200 Menschen im Mittelmeer. 2015 waren es über | |
3.700. | |
Für die Aktivist*innen von Watch the Med ist dafür die europäische Politik | |
verantwortlich. Etwa das im März abgeschlossene EU-Türkei-Abkommen zur | |
Verteilung von Geflüchteten. Und die Vereinbarungen der EU mit | |
afrikanischen Regierungen einschließlich der 1,8 Milliarden Euro, die die | |
EU nach eigenen Angaben an Marokko zahlte, um die Wanderung nach Europa | |
aufzuhalten. Für Tamino führt diese Politik dazu, dass „mehr Leute noch | |
gefährlichere Wege wählen und auf noch unsichereren Booten das Mittelmeer | |
überqueren müssen, um in Europa Asyl zu beantragen“. | |
Aus ihrer täglichen Arbeit ist den Aktivist*innen klar, dass ihr Engagement | |
notwendig bleibt: „Den politischen Wandel in den europäischen Ländern | |
bekommen wir beim Alarmphone immer direkt mit. Aber die Routen oder Zeiten | |
verschieben sich nur. Es ist eine Weile ruhig, dann geht es wieder los“, | |
meint Carla. | |
Was sie sich für die kommende Zeit wünschen? Dass Menschen sicher nach | |
Europa einreisen können und Menschenrechte weltweit gelten, sagen sie. „Wir | |
könnten uns sofort anderen Aufgaben widmen, wenn es legale Fluchtwege gäbe | |
oder Fähren als legale Fluchtmittel in Marokko oder Tunesien ablegen“, sagt | |
Tamino. | |
Es klingt vielleicht romantisch, aber: Ihr Hauptwunsch sei weiterhin, sich | |
selbst aufzulösen zu können, fügt Carla hinzu. Marion Bergermann | |
27 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Marion Bergermann | |
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