# taz.de -- zwischen den rillen: Sie spielt Synthesizer, um ich zu sein | |
Angel Olsen: „My Woman“ (Jagjaguwar/Rough Trade) | |
Angel Olsen weiß sich zu inszenieren. Sie weiß aber auch, wie Erfolg nicht | |
nur zu mehr Berühmtheit führen, sondern auch die künstlerische Freiheit | |
einschränken kann. Dass ein großes Publikum gewisse Erwartungen hat, denen | |
man als Künstlerin nicht immer gerecht werden kann, möchte man sich | |
weiterentwickeln. Doch darauf kann und will Olsen keine Rücksicht nehmen. | |
Sie öffnet für ihr neues Album das Repertoire an Genres und Instrumenten, | |
zieht neben der rauen Gitarre auch Synthesizer, das Melotron und Keyboard | |
hinzu und räumt Platz ein für Instrumentals. „Im just so tired of words“. | |
seufzt sie, „words can’t do everything, you know.“ Wir wissen und hören … | |
dabei zu, wie sie mit ebenjenen Worten zu zeichnen beginnt. | |
„My Woman“ ist das vierte Studioalbum von Olsen. Nach der 2014 erschienenen | |
Erfolgsplatte „Burn Your Fire For No Witness“, die bissig war, | |
folkig-rockig und roh, stellt sie nun ein vergleichsweise poppiges Werk | |
vor. Die nie zuvor dagewesenen Synthesizer kreisen hypnotisch, Olsens | |
Gesang wirkt zuweilen geisterhaft. Zwar immer noch direkt, doch die | |
Grundstimmung ist eine andere. „Einige meinen, ich sei jetzt eine andere | |
Angel“, verdreht sie die Augen. Dabei besinne sie sich nur zurück auf die | |
Zeit vor ihrem Durchbruch. | |
Die 29-Jährige, die in ihren Anfängen unter der Obhut von Folk-Allrounder | |
Bonnie „Prince“ Billy stand und auf einem seiner Alben wehleidig im | |
Background sang, spielte schon im jungen Alter Keyboard. Dass sie jetzt zum | |
elektronischen Tasteninstrument zurückkehrt, sei ein persönliches Anliegen | |
gewesen, sagt sie. Dazu habe sie einen größeren Bezug als zum Folk der 50er | |
und 60er Jahre, deren Musikszene sie selbst nie erlebt hat. Die Synthesizer | |
zwingen sie jetzt dazu, ihre Stimme anders einzusetzen, als dies mit der | |
Gitarre der Fall ist: „Ich brauchte diese Veränderung, um endlich ich zu | |
sein – ich in einer anderen Form.“ | |
In dem Video zum ersten Song auf dem Album, der Single „Intern“, setzt sich | |
Olsen eine Lametta-Perücke auf. „I don’t care what the papers say“, singt | |
sie. „It’s just another intern with a resumé.“ Mit diesen Zeilen bringt … | |
eine wichtige Erkenntnis auf den Punkt: dass ihre Gedanken, die sie in | |
ihren Songs offenlegt, publik werden und ihr Werk damit ein kommerzielles | |
Eigenleben führt. Dass durch die Interpretationen von außen ihren Stücken | |
die Unschuld genommen wird, oftmals ein verzerrtes Bild entsteht. Angel | |
Olsen ist zum Produkt geworden, das sie mit diesem neu gewonnenen | |
Bewusstsein möglichst authentisch halten will. | |
„Intern“ gibt den Grundton des neuen Albums an. Es ist außerdem ein | |
Paradebeispiel für die synthlastigere erste Hälfe von „My Woman“, während | |
in der anderen Hälfte der entwaffnende Folkrock der Vorgänger-Alben | |
nachhallt. | |
Nun heißt dies nicht, dass Olsen ihren Charme als bissige Folk-Musikerin | |
verloren hat. Die rockigen Gitarren, der klitzekleine | |
Do-it-yourself-Einschlag ist auch auf dem neuen Album erhalten geblieben. | |
Allerdings tritt ein durchproduzierter Charakter hervor, „My Woman“ ist | |
weniger geladen als noch „Burn Your Fire For No Witness“. Schlicht: als | |
alteingesessener Olsen-Fan muss man sich Zeit nehmen für jeden einzelnen | |
Track und ihn wirken lassen. | |
Versteht man das Anliegen dahinter, die persönliche Weiterentwicklung der | |
Interpretin, findet auch der andere Tonanschlag seine Berechtigung. Der | |
vielschichtige, oft leiernde Gesang ist durchaus so gewollt. Ob man ihn gut | |
findet, ist eine Sache, ob Olsen damit sich selbst als Frau und Musikerin | |
näher kommt, die andere. „I want to be my own woman“, bekräftigt sie den | |
Schritt zum neuen Pop-Album. Eine Attitüde, mit der uns Angel Olsen vor ein | |
paar Jahren in ihren Bann zog. Damals machte sie Musik, mit der sie ihren | |
Trotz und ihre Wut freilegte. Heute ist Olsen nicht mehr so wütend. Leider. | |
Vanessa Wohlrath | |
5 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Vanessa Wohlrath | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |