# taz.de -- Treuer Gefährte | |
> Regenschutz Der Hamburger Familienbetrieb „Schirm und Co“ baut und | |
> repariert seit 140 Jahren Regenschirme. Davon zu leben, ist viel härter | |
> als früher | |
Bild: „Reparieren lässt sich jeder Schirm“, so Schirmmacherin Verthein | |
Wer in den kleinen Laden eintritt, sieht Schirme – überall. Sie hängen an | |
den Wänden und liegen in den Regalen. 4.000 Knirpse und Regenschirme warten | |
hier, in „Schirm und Co“ in der Hamburger Innenstadt, auf einen neuen | |
Besitzer. Sie sind der ganze Stolz von Carola Vertein. In der sechsten | |
Generation führt sie den Familienbetrieb weiter. Ihre Tochter und ihr | |
Cousin stehen ihr tatkräftig zur Seite, wenn es darum geht, Schirme zu | |
bauen oder zu reparieren. Auch Gehstöcke stellen sie in dem Geschäft selbst | |
her. | |
An der hinteren Wand hängt ein Bild des Gründers Theodor Eggers. Es | |
scheint, als überblicke er, was aus seinem kleinen Reich geworden ist: 1876 | |
entschied sich der Seemann, nicht mehr zur See zu fahren. In Hamburg wurde | |
er sesshaft und reparierte im Hafen die Regenschirme von Passanten. Alles, | |
was er dazu brauchte, hatte er in einer Schublade bei sich. Seine Familie | |
führte die Idee weiter: Unter dem Namen „Schirm Eggers“ betrieben seine | |
Nachfahren zu ihren besten Zeiten elf Filialen in Hamburg. Übrig geblieben | |
ist ein kleiner Laden. Seit 1992 liegt er unter dem Namen „Schirm und Co“ | |
in der Rosenstraße. Es ist der einzige Fleck in Hamburg, wo Schirmsucher | |
noch in Handarbeit hergestellte Regenschirme finden. | |
Denn der Beruf des Schirmherstellers stirbt aus, nur noch ein Dutzend gibt | |
es in ganz Deutschland. Tochter Meike Vertein konnte den Beruf gar nicht | |
mehr in der Berufsschule erlernen. Ihre Eltern und Großeltern brachten es | |
ihr bei. „Schirme zu bauen und herzustellen, ist mir in die Wiege gelegt | |
worden“, sagt sie. | |
Dass ihr das wirklich Freude bereitet, merkt man, wenn Vertein von ihrem | |
Beruf erzählt. Auf dem quadratischen Holztisch, der mitten im Geschäft | |
steht, breitet sie die Stoffbahnen aus. Sie schneidet die Stücke zu, näht | |
die Enden gerade und baut alles zusammen. Das Surren der Maschinen erfüllt | |
den gesamten Laden. Bei der Produktion ist sie kreativ, erfüllt aber in | |
erster Linie die Wünsche ihrer Kunden: Die dürfen sich die Materialien und | |
das Muster aussuchen. Einen Schirm stellt Meike Vertein in eineinhalb | |
Stunden her. Ein fertiges Stück kostet knapp 100 Euro. Das rechnet sich, | |
denn es hält zehn bis 15 Jahre. Von diesen selbstgemachten Exemplaren | |
verkauft „Schirm und Co“ etwa 250 Stück pro Jahr. | |
Genauso viele Schirme reparieren die drei Schirmhersteller im Jahr. | |
„Reparieren lässt sich wirklich jeder Schirm. Egal, ob es ein Billigschirm | |
von Budni oder ein Designermodell ist“, sagt Vertein. Für sie lohne sich | |
jede Reparatur. Manchmal muss sie sich aber fragen, ob es sich auch für die | |
Kunden lohnt, wenn die Reparatur teurer ist als der Schirm an sich. „Kunden | |
lassen Schirme auch reparieren, obwohl die Reparaturkosten den Wert des | |
Schirmes deutlich übersteigen“, fügt sie hinzu. Diese Kunden würden aus | |
sentimentalen Gründen an ihren Schirmen hängen. Einige ausländische Kunden | |
schickten ihre Schirme auch per Post, obwohl das Porto die Reparaturkosten | |
um eine Vielfaches überschreite. Denn normalerweise kostet eine Reparatur | |
zwischen elf und zwölf Euro. | |
Von Reparatur und Herstellung allein können die drei Schirmliebhaber aber | |
nicht leben. Zusätzlich verkaufen sie Schirme, die sie woanders bestellen: | |
in Spanien, Deutschland, Frankreich, Italien und anderen Ländern. Einige | |
werden dort mit der Hand hergestellt, andere kommen aus Fabriken. Ihr | |
günstigstes Modell bieten sie für knapp zehn Euro an. „Wir können es uns | |
nicht erlauben, nur unsere Schirme anzubieten. Vielen sind sie einfach zu | |
teuer,“ so Vertein. Sie würden aber nur Schirme verkaufen, die schlechtes | |
Wetter aushalten. Keine schlechte Idee in Hamburg, wo ab und zu eine Brise | |
weht und es öfter Regenschauer gibt. | |
Schlechtes Wetter ist für Meike Vertein die beste Werbung. Wenn sich dicke, | |
graue Wolken vor die Sonne drängen und den strahlend blauen Himmel | |
verdecken, ist das gut für „Schirm und Co“. Hier muss man auf schlechtes | |
Wetter hoffen – und darauf, dass Regenschirme wieder in Mode kommen. Dann | |
findet vielleicht jeder der 4.000 Schirme einen Besitzer. | |
Johanna von Criegern | |
20 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Johanna von Criegern | |
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