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# taz.de -- 80 Jahre und kein bisschen weise
> TAZ-SERIE: DIE LETZTEN DER LISTEN II Werner Kempf kandidiert für die AfD
> auf dem allerletzten Platz
Bild: Später Einstieg in die Politik: AfD-Kandidat Kempf
SCHWERIN taz | Werner Kempf hat viel zu meckern. „Da drüben im AOK-Haus
steht das oberste Stockwerk seit Langem leer.“ Der 80-Jährige steuert
seinen silbernen Mercedes durch Schwerin und ärgert sich beim Blick aus dem
Fenster. Schule: dicht gemacht. Brücke: erst teuer gebaut, dann wieder
abgerissen. Regierungsviertel: viel zu teuer. Kempfs Stadtrundfahrt soll
belegen, was der Politiker zuvor im Foyer des Schweriner Bahnhofshotels
von sich gegeben hat – als Politiker im Wahlkampf.
Werner Kempf, gepflegter Anzug, AfD-Stecker am Revers, kandidiert bei der
Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern für die AfD – als Letzter der
Landesliste. „Eigentlich ist es ein bisschen spät für Politik“, gibt der
gebürtige Frankfurter zu, aber er habe eben noch mal etwas im „öffentlichen
Interesse“ machen wollen. Jetzt lächelt er von Wahlplakaten und verteilt
AfD-Visitenkarten mit dem Slogan „Mut zur Wahrheit“. Obwohl er, wie er
einräumt, schon enttäuscht sei von seinem Listenplatz.
Dabei wusste Kempf schon vorher, wie es sich als Letzter so anfühlt. Bei
der Kommunalwahl 2014 hat er von allen AfD-Direktkandidaten die wenigsten
Stimmen erhalten – 135. „Ich war der letzte Mohikaner“, erinnert er sich.
Ein Jahr später zog er wegen diverser Rücktritte in den Schweriner Stadtrat
ein. „Ich hatte den Eindruck, dass ich das genauso gut kann wie die“, sagt
er. Kempf ist Mitglied im Umwelt- und im Rechnungsprüfungsausschuss. Seine
Partei stellt eine eigene Fraktion, bezieht Gelder und sitzt in
Ausschüssen.
Dennoch, ärgert sich Kempf, würden sich die Medien nur für die
fremdenfeindlichen Aussagen in seiner Partei interessieren. „Solche
Aussagen gibt es in allen Parteien, aber da interessiert sich keiner
dafür.“ Überhaupt ist Kempf überzeugt: „Rassismus gibt es in der AfD
nicht.“
Kempfs eigene Ansichten zur Flüchtlingspolitik sind zumindest paranoid. Es
sei ja ein offenes Geheimnis in der arabischen Welt, sagt er, dass man sich
nur so lange in Deutschland unterordne, bis man hierzulande die Mehrheit
stelle. „Die deutsche Frau hat 1,3 Kinder. Die Araberin hat 5. In 20 Jahren
drücken die uns und die Europäer an die Wand.“ Statt um ihre Heimat zu
kämpfen, säßen die jungen Männer lieber feige am Kurfürstendamm und tränk…
Kaffee. Sein Fazit: Die Integration der Muslime misslingt, Schuld sei die
deutsche Asylpolitik.
Auch in der Wirtschaftspolitik sieht der ehemalige Unternehmensberater nur
Negatives. Durch Minijobs käme kein Geld in die Rentenkassen. „Das und die
Zinspolitik des Italieners macht uns arm und führt zu Altersarmut.“ Mit
„Italiener“ ist der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi,
gemeint. Dessen Niedrigzinspolitik empfindet Kempf als „Enteignung“.
Überhaupt empört ihn die Wirtschaftspolitik der EU. „Eigentlich bin ich ein
überzeugter Europäer, aber im Sinne eines lockeren Bundes von
Nationalstaaten.“ Was Kempf nicht erwähnt, ist, dass er persönlich
jahrelang von der EU-Freizügigkeit profitierte, als er in Österreich
arbeitete. Nicht unerwähnt lässt er dagegen, wer Schuld hat an den Krisen
in Europa: Angela Merkel. Seit sie ihre Partei anführt, wählt Kempf nicht
mehr CDU. Nach 60 Jahren treuer Wählerschaft.
Nun will er es mit der AfD richten. In den jüngsten Umfragen kommt sie auf
19 Prozent. Dass Meck-Pomm im vergangenen Jahr 23.000 Flüchtlinge
weitgehend reibungslos aufnahm, Schulden abbaute und die Arbeitslosigkeit
senkte, kommt im Wahlkampf des hintersten AfD-Kandidaten nicht vor. Felix
Hackenbruch
4 Aug 2016
## AUTOREN
Felix Hackenbruch
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