# taz.de -- Die erste nach all den vielen Bartträgern | |
> USA Jetzt haben die Demokraten offiziell Geschichte geschrieben: Mit | |
> Hillary Clinton ist zum ersten Mal eine Frau Präsidentschaftskandidatin | |
> einer großen Partei. Und das ist die Erzählung, die ab jetzt den | |
> Parteitag bestimmen soll | |
Bild: Begeisterte Anhängerinnen, als Clinton per Video im Saal erscheint | |
Aus Philadelphia Frank Herrmann | |
Für Gloria Goodwin ist die Sache klar. „Wir haben Geschichte geschrieben, | |
es ist vollbracht“, sagt sie und lächelt ein stilles, versonnenes Lächeln. | |
Die zierliche schwarze Frau hat sich herausgeputzt für diesen besonderen | |
Abend. Auf dem Kopf trägt sie einen Hut in den Landesfarben. Die Buttons, | |
die sie sich an ihre Bluse geheftet hat, handeln fast alle von | |
Frauen-Power. | |
Gloria Goodwin ist aus Jacksonville, einer Kleinstadt in North Carolina, | |
nach Philadelphia gereist, eine Delegierte der Demokratischen Partei, die | |
ihre Stimme für Hillary Clinton abgegeben hat. Nun ist es amtlich, Clinton | |
die Kandidatin. Goodwins spricht von einem Moment, der einfach überfällig | |
war. „Wir Frauen haben zu lange gewartet, dass endlich mal eine von uns im | |
Oval Office regiert. Wir managen sonst ja alles, unsere Familien, unsere | |
Firmen, unsere Männer.“ Dann erzählt sie von der Rassentrennung, deren | |
Demütigungen sie noch miterlebte – „all die Stereotype, der ganze Dünkel.… | |
Und nun, so sieht es Goodwin, hat das Land auch mit dem letzten Vorurteil | |
aufgeräumt, mit dem Märchen, dass eine Frau nicht Präsidentin werden kann. | |
Auf dem Monitor über der Bühne zerspringt derweil eine Glasscheibe in | |
Tausende Splitter. Aus ihrem Haus in Chappaqua, einer Villa im gediegenen | |
New Yorker Vorortambiente, meldet sich Hillary Clinton zu Wort. Das mit dem | |
Glas ist ihr Motiv, seit sie 2008 nach ihrer Vorwahlniederlage gegen Barack | |
Obama prophezeite, dass die Glasdecke, die Frauen den Zugang in die | |
Topetage der Politik versperre, schon bald krachend zu Boden fallen werde. | |
„Ich kann nicht glauben, dass wir dieser Glasdecke den bisher größten Riss | |
zugefügt haben“, sagt sie. Sollten zu dieser späten Stunde noch irgendwo | |
kleine Mädchen wach sein, so wolle sie ihnen nur sagen: „Ich werde | |
vielleicht die erste Frau Präsidentin, aber eine von euch ist als Nächste | |
an der Reihe.“ | |
Davor hatte Meryl Streep, in Hollywood weit und breit Clintons größter Fan, | |
davon gesprochen, dass Frauen, ehe ihnen ein Durchbruch gelinge, immer | |
besonders hart kämpfen mussten – und immer mit einer gewissen Anmut, auf | |
dass es nicht heiße, sie strebten allzu ehrgeizig nach oben. Und davor | |
hatte Bill Clinton, der nicht nur Präsident war, sondern noch immer einer | |
der großen Geschichtenerzähler der US-amerikanischen Politik ist, aus dem | |
gemeinsamen Leben mit Hillary erzählt. | |
„Im Frühjahr 1971 traf ich ein Mädchen“, beginnt er, als gebe er eben mal | |
beiläufig eine Reihe von Anekdoten zum Besten. Er schildert eine Studentin | |
ohne Make-up, dafür mit selbstverständlicher Selbstsicherheit, die ihm | |
imponiert habe. Irgendwann habe sie sich dann auch für ihn interessiert, | |
sie seien zu zweit über den Campus gelaufen, hätten geredet und gelacht. | |
Bill Clinton erzählt, wie er Hillary Rodham den Hof machte, wie sie später | |
zwei Heiratsanträge abschlägig beschied, bevor sie beim dritten Ja sagte. | |
Wie er eine Gouverneurswahl in Arkansas verlor, nachdem er die erste | |
gewonnen hatte, und sie im Karriereknick gar nicht erst Weinerlichkeit | |
aufkommen lassen wollte, sondern ihm resolut den Rat gab, sich schnellstens | |
einen anderen Job zu suchen. Er erzählt davon, wie die junge Juristin | |
Rodham durch den US-amerikanischen Süden fuhr, um gegen das Unrecht | |
anzukämpfen. Durchs ländliche Alabama, wo weiße und schwarze Kinder trotz | |
rechtlicher Gleichstellung noch viel zu oft in getrennten Klassenzimmern | |
saßen. Diese Frau, sagt Clinton, habe ein Leben lang Probleme zu lösen | |
versucht. Das sei die reale Hillary Clinton, nicht die Cartoonfigur, als | |
welche die Republikaner sie darstellen wollten. | |
Draußen, hinter einem Dickicht aus schwarzen Absperrgittern, lassen derweil | |
die hartnäckigsten Hillary-Gegner, Demonstranten, die sie von links | |
kritisieren, ihrem Frust freien Lauf. „Das ist der Tag, an dem Donald Trump | |
die Wahl gewonnen hat“, schimpft Barry Neigh, ein Aktivist aus | |
Massachusetts. „Die Delegierten hatten einen einzigen Job, sie sollten | |
einen Kandidaten nominieren, der Trump besiegen kann. Und dieser Kandidat | |
wäre Sanders gewesen, niemand sonst.“ | |
Drinnen lässt die Regie Präsidentenporträts über die Leinwand laufen, in | |
rasantem Tempo, wie bei einer Diashow im Zeitraffer. An erster Stelle | |
George Washington, an letzter Barack Obama, speziell im 19. Jahrhundert | |
viele Bartträger. Nur um klarzumachen, was es für die Annalen des Weißen | |
Hauses bedeutet, sollte Hillary Clinton im November die Wahl gewinnen. | |
28 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Frank Herrmann | |
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