# taz.de -- Das Ziel: Trump verhindern | |
> USA Beim Demokraten-Parteitag ruft Bernie Sanders dazu auf, Hillary | |
> Clinton zu wählen | |
Bild: Eine Sanders-Anhängerin zeigt, für wen ihr Herz auch weiterhin schlägt | |
Aus Philadelphia Frank Herrmann | |
Kalifornien ist in der Mitte geteilt. Buchstäblich. Unten sitzen die | |
Delegierten Hillary Clintons, oben die von Bernie Sanders, die von der | |
Lautstärke her mindestens mithalten können. „Bernie! Bernie!“, skandieren | |
sie auf den oberen Rängen des Stadionblocks, worauf sie unten ein zorniges | |
„Hillary! Hillary!“ anstimmen. | |
Die Poster, die sie oben in die Höhe halten, künden vom Widerstand gegen | |
das angepeilte transpazifische Handelsabkommen, ein rotes Tuch für die | |
Sanders-Anhänger: Sie zeigen ein Verkehrsverbotszeichen, dessen | |
Diagonalbalken das Kürzel TPP überdeckt. Unten steht auf zartblauen | |
Plakaten: „I’m with her“. „Ich bin mit ihr“: Gemeint ist natürlich H… | |
Clinton. | |
Stundenlang wogt es hin und her, stundenlang lassen die Schreiduelle an | |
alles denken – nur nicht an den Schulterschluss, den die Parteitagsregie so | |
gern inszenieren würde. Bis Sanders die Bühne betritt und erst mal drei | |
Minuten warten muss, ehe er reden kann. Mit stehenden Ovationen wird er | |
gefeiert, der Außenseiter, der der früheren Außenministerin um ein Haar die | |
sicher geglaubte Kandidatur weggeschnappt hätte. Viele im Saal haben Tränen | |
in den Augen. Seine Fans brüllen sich die Kehle heiser, falls sie nicht | |
weinen. | |
Bis ins letzte Detail erzählt der 74 Jahre alte Senator noch einmal, wie | |
gerecht es im Land zugehen würde, wäre er US-Präsident. „Wir haben eine | |
Revolution begonnen, um Amerika zu verändern, und diese Revolution geht | |
weiter“, tröstet er. Dann fügt er sich in sein Schicksal und ruft seine | |
Anhänger auf, Clinton zu wählen. Er verstehe, wie enttäuscht viele über den | |
Ausgang des Rennens seien, „niemand ist so enttäuscht wie ich“, räumt | |
Sanders ein. Nun aber gelte es, Donald Trump zu verhindern. „Hillary | |
Clinton wird eine herausragende Präsidentin sein, und ich bin stolz, an | |
ihrer Seite zu stehen.“ | |
Wenn es doch nur so einfach wäre. David Bright, ein Farmer aus dem | |
Neuengland-Staat Maine, auf dem Kopf eine bunte Häkelmütze, bleibt | |
jedenfalls bei seiner Meinung. Er stimme grundsätzlich nicht gegen, sondern | |
immer nur für jemanden, sagt er. Und wenn es im November keinen gebe, den | |
er guten Gewissens wählen könne, einen wie Sanders, bleibe er dem Wahllokal | |
womöglich fern. | |
Das Argument, Hillary den Zuschlag zu geben, um einen Präsidenten Trump zu | |
verhindern, zieht bei Bright nicht. „Sie ist einfach nicht meine | |
Kandidatin“, sagt er und zeigt pikiert auf die zartblauen Poster. „Ich bin | |
mit ihr“: Bedeute das nicht, das sich bei Hillary alles nur um sie drehe, | |
während Bernie ein ums andere Mal verkünde, dass er sich für andere ins | |
Zeug lege? | |
Joan Taylor, Aktivistin aus Maryland, ist sauer auf das | |
Demokraten-Establishment. Es habe alles getan, um Sanders zu stoppen. Die | |
gehackten und WikiLeaks zugespielten E-Mails des Vorstands ließen eine | |
skandalöse Parteinahme für Clinton erkennen. „All die fiesen Tricks, was | |
hab ich das satt“, stöhnt Taylor. Im Herbst wird sie dennoch Hillary | |
wählen, auch wenn es sie Überwindung kostet. | |
Auf den oberen Rängen Kaliforniens sind derweil zugeklebte Münder zu sehen. | |
„Silenced“ („Zum Schweigen gebracht“) steht auf schmalen Gewebebändern… | |
schwer sich die demokratische Partei damit tut, ihre Reihen zu schließen, | |
sieht man bisweilen auch auf der Bühne. Als sich die Kabarettistin Sarah | |
Silverman, eine hundertprozentige Sanders-Getreue, ohne Wenn und Aber | |
hinter Clinton stellt, schallen Buhrufe durch die Halle. Darauf Silverman: | |
Kann ich den Bernie-or-bust-Leuten einfach mal sagen, ihr verhaltet euch | |
lächerlich!“ „Bernie-or-bust“ bedeutet: Nur Sanders wählen – sonst ke… | |
Dann singt der legendäre Paul Simon mit nicht mehr ganz fester Stimme von | |
Brücken über tosendem Wasser. „Bridge Over Troubled Water“ ist der | |
musikalische Versuch, die Spannung aufzulösen – bevor schließlich Sanders | |
einen Auftritt hinlegt, der als Lehrbeispiel in die Wahlkampfchronik | |
eingehen könnte – als Anleitung für würdevolle Verlierer. | |
Schon Stunden zuvor, da bedachten seine Fans besonders energische | |
Pro-Clinton-Reden mit besonders lautstarken Protesten, hatte er sie zur | |
Disziplin angehalten. Es schade der eigenen Glaubwürdigkeit, wenn man Leute | |
ausbuhe, Rednern den Rücken zuwende oder demonstrativ den Saal verlasse. | |
„Das ist genau das, was Donald Trump will.“ | |
27 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Frank Herrmann | |
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