# taz.de -- „Das konstituiert Völkermord“ | |
> Geschichte Die Deutschen wollten das Volk der Herero vernichten, sagt der | |
> Afrikaforscher Jürgen Zimmerer. Und fordert eine Resolution | |
taz: Herr Zimmerer, seit 1884 galt Südwestafrika vertraglich als deutsches | |
Schutzgebiet. Wie muss man sich das Zusammenleben zwischen Siedlern und | |
einheimischen Herero- und Nama-Stämmen vorstellen? | |
Jürgen Zimmerer: Die Schutzgebietserklärung von 1884 war lediglich ein | |
Anzeigen der Absichten des Deutschen Kaiserreiches gegenüber anderen | |
europäischen Mächten. Die deutsche Kolonialherrschaft war von Anfang an auf | |
das Militär gestützt. Im Grunde hatte man einen Eroberungs- und | |
Besiedlungsprozess, der zunehmend zu Konflikten und Übergriffen führte, | |
weil immer mehr Deutsche kamen. Es kam zu Vieh- und Landenteignungen, aber | |
auch zunehmend zu körperlichen, einschließlich sexuellen Übergriffen von | |
Deutschen auf Afrikaner und Afrikanerinnen. Das alles trug dazu bei, dass | |
der Wille zum Widerstand anwuchs. | |
Der Widerstand der lokalen Bevölkerung begann 1904 und war ja dann erst | |
einmal erfolgreich. | |
Das stimmt. Die Herero töteten 123 Männer, schonten aber Frauen und Kinder. | |
Damit gelang es ihnen, das gesamte Herero-Land, mit Ausnahme der | |
militärisch befestigten Stationen, zu besetzen. | |
Dann entsandte das Deutsche Kaiserreich aber General Lothar von Trotha mit | |
15.000 Mann und brach diesen Widerstand. Weshalb ist das nun ein Völkermord | |
und kein Kriegsverbrechen? | |
Es war Völkermord und Kriegsverbrechen, das ist ja kein Gegensatz. Ein | |
Kriegsverbrechen besteht ja auch darin, dass man Frauen und Kinder tötet, | |
was die deutsche Armee ebenfalls tat. Auch standrechtliche Erschießungen | |
von gefangenen Herero gab es. Das war also von deutscher Seite kein Krieg, | |
bei dem man dem Gegner gewisse Rechte zugestand, sondern von Anfang an hieß | |
es, wer Widerstand leistet, hat sein Leben verwirkt. Und auch nach der | |
zentralen Schlacht von Waterberg wurden die Herero – auch Frauen, Kinder | |
und Greise – in die Wüste Omaheke getrieben und die Wasserstellen am Rande | |
besetzt, sodass die Herero verdursten mussten. Das konstituiert Völkermord, | |
weil es mit der Absicht begangen wurde, die Herero als Volk zu vernichten. | |
Sie haben zu den Völkermorden an den Herero, Armeniern und zum Holocaust | |
geforscht. Gibt es eine Verbindung? | |
Nicht im Sinne einer Kausalität. Der Holocaust war keine unausweichliche | |
Folge des Völkermords an den Herero. An allen drei Verbrechen war aber das | |
deutsche Militär beteiligt: als ausführender Akteur in Afrika, als | |
Verbündeter des Osmanischen Reichs und als Wegbereiter im Vernichtungskrieg | |
im Osten im Zweiten Weltkrieg. Die Logik der Beherrschung war immer gleich, | |
nämlich Kontrolle von „Raum“ durch „Rasse“ und durch die Ersetzung ein… | |
Bevölkerung durch eine andere. | |
Müsste der Bundestag eine Resolution zum Völkermord an den Herero und Nama | |
verabschieden? | |
Ja, ich hoffe dass der Bundestag die Meinung der Wissenschaft bald | |
übernimmt. Die Völkermordforschung ist sich ja ebenso einig wie die | |
historische Afrikaforschung, dass es ein Völkermord war. | |
Interview Felix Hackenbruch | |
14 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Felix Hackenbruch | |
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