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# taz.de -- Der PokéSmombie
> Online-Games Die Spiele-App „Pokémon Go“ zwingt ihre Spieler nach drauß…
> an die frische Luft. Das Virtuelle wird real – und andersherum
Bild: Ein Horde „Smombies“ bei der Arbeit
von Robert Hofmann
Das Jugendwort des Jahres 2015 war „Smombie“. Es bezeichnet Menschen, die
durch ihre Umwelt gehen, während sie auf ihr Smartphone starren. Ampeln
oder analoge Menschen übersehen sie, lieber verfolgen sie ihren
Facebookfeed. Nintendo hat jetzt ein Spiel veröffentlicht, das dieses
Phänomen weiter forcieren dürfte. „Pokémon Go“ heißt es – und lässt …
animierte Monster in der Realität auf- und die Spieler völlig in die
Virtualität eintauchen.
Pokémon, was für Pocket Monster steht, kam Ende der 1990er nach
Deutschland. Die Lebensaufgabe, ja die Daseinsberechtigung der Tiere ist
es, von sogenannten PokéTrainern gefangen und trainiert zu werden, um gegen
andere Pokémon zu kämpfen. Eine Art digitaler Hahnenkampf, nur süßer.
„Pokémon Go“ setzt auf das Konzept der sogenannten Augmented Reality. Das
bedeutet in etwa „erweiterte Realität“. Man betrachtet dabei seine Umgebung
über die Handykamera. Auf dem Bildschirm zeigt die Spiele-App neben dem
Abbild der realen Welt zusätzlich die animierten Pokémon. Die kann man dann
fangen und an festgelegten Orten, sogenannten Gyms, gegen die von anderen
Spielern kämpfen lassen. Über GPS weiß das Spiel, wo man sich gerade
befindet.
Man ist also als Spieler gezwungen, das Haus zu verlassen und immer wieder
auch mit fleischlichen Menschen zu interagieren.
Pokémon kam Ende der 90er als Zeichentrickserie im Nachmittagsprogramm, als
Gameboy- und als Kartenspiel nach Deutschland. Es zog seine Kreise, bis man
die süßen Tierchen auch auf anderen Konsolen fand. Kinder zwischen 5 und 15
kamen um das neue Massenphänomen kaum herum, Erwachsene beäugten den neuen
Trend misstrauisch, wie sie das immer tun, wenn sie die Passionen ihrer
Kinder nicht verstehen. Und das gelbe Elektro-Pokémon Pikachu wurde zum
knuffigen Aushängeschild des Ganzen.
Das Geschäftsmodell von Nintendo besteht nun unter anderem darin, dass sich
Spieler durch echtes Geld Einfluss darauf erkaufen können, wo in der
Realität etwas Virtuelles geschieht. So kann ein Café etwa dafür zahlen,
dass in seinen Räumen Pokémon residieren – in der Hoffnung, dass
PokéTrainer auch mal einen Kaffee trinken: „Pokémon fangen: 0,50 Euro, für
Kunden kostenlos“.
Die Realität wandert ins Virtuelle und wieder zurück. Der moderne
PokéSmombie erlebt das Reale virtuell, das Virtuelle real. Erste Petitionen
der realen Welt versuchen bereits Einfluss auf die virtuelle zu nehmen: Der
im Zoo von Cincinnati (USA) erschossene Gorilla Harambe soll zum Beispiel
im Spiel auftauchen. Gleichzeitig versuchen Petitionen, den Einfluss des
Spiels auf die reale Welt zu schmälern: Beim Autofahren soll man nicht mehr
spielen können und Friedhöfe sollen aus der Spielwelt ausgeschlossen
werden.
Trotzdem schaffen Spieler mit anderen Spielern Smombie-Horden, die durch
die Gegend ziehen, um Pokémon zu fangen und die Vorherrschaft über Gyms zu
erringen.
In Westboro in den USA kontrolliert, für alle Spieler ersichtlich, ein
Pokémon namens „LoveIsLove“ ein solches Gym. Dieses liegt in der „Westbo…
Baptist Church“, die sich gegen die Gleichberechtigung Homosexueller
ausspricht. „Love is Love“ ist das Motto der Gegenbewegung, die sich für
ein Ende der Diskriminierung einsetzt. Die Baptistengemeinde hat dazu
aufgerufen, diese Vorherrschaft zu brechen. In einem ihrer Videos sieht man
ein Pikachu. Dazu singt ein Chor in Endlosschleife „God hates fags“ – „…
hasst Schwuchteln“.
Realer wird Pokémon wohl nicht mehr werden.
13 Jul 2016
## AUTOREN
Robert Hofmann
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