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# taz.de -- Berliner Szenen: Großeinsatz beim Grillen
> Die Krähe
Grillfest beim Bruder im Hof. Die Würste brutzeln, das Bier fließt, die
Kinder spielen. Plötzlich wandern die Blicke nach oben: Eine Krähe hat sich
mit einem Flügel in ihrem Nest verfangen, ein tragisch-grotesker Anblick.
Allgemeine Ratlosigkeit, was tun? Während die einen behaupten, Mutter Natur
werde die Sache schon richten, setzt sich letztendlich die Haltung durch,
das Tier müsse gerettet werden. Jemand ruft die Feuerwehr.
Inzwischen stehen alle bedröppelt herum, auch die Kinder. Sämtliche
Unterhaltungen sind versiegt, die Würste verbrutzeln. Schließlich rücken
sie an: vier Mann plus Leiter. Diese wird ausgefahren, ein Feuerwehrmann in
voller Montur steigt nach oben, greift nach dem Vogel, und für einen Moment
scheint alles gut. Dann fällt die Krähe wie ein Stein nach unten, trifft
dabei beinahe meinen Bruder, schlägt auf, bewegt sich nicht. Ein Augenblick
der Stille, dann wird gepöbelt: Wie könne man nur so blöd sein?
Schweigend fahren die Feuerwehrleute die Leiter wieder ein, holen eine
Kiste, um die tote Krähe hineinzulegen, wollen sie mitnehmen, als plötzlich
die Kinder und ein paar Erwachsene protestieren. Irgendwie erscheint ihnen
dieses Vorgehen pietätlos. Man einigt sich darauf, den Vogel hier zu
lassen, damit die Kinder ihn in Würde begraben können. Mit gesenkten
Blicken ziehen die Feuerwehrmänner von dannen.
Am nächsten Morgen wird die Krähe wieder ausgebuddelt: Statt der
vorgegebenen achtzig Zentimeter lag sie nur knapp zehn unter der Erde. Man
befürchtet, sie könne Getier anlocken. Und für eine Sekunde muss ich daran
denken, wie ich mir als Jugendlicher „Friedhof der Kuscheltiere“ im Kino
ansehen wollte und mir, um älter zu erscheinen, vor dem Ticketschalter eine
Plastikzigarette mit Kunstglut in den Mundwinkel steckte. Andreas Resch
6 Jul 2016
## AUTOREN
Andreas Resch
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