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# taz.de -- Für eine Nacht in Freiheit
> KOMPONISTINNENDas Österreichische Kulturforum präsentierte im Konzerthaus
> Werke NS-verfemter Künstlerinnen
Die beiden Frauen unternahmen Ausfahrten mit dem Automobil, die Komponistin
Maria Hofer saß am Steuer, der Wagen gehörte Yella Hertzka, Verlegerin und
Mitinhaberin des Wiener Musikverlages Universal Edition. Für Hofer wurde im
Hause Emil und Yella Hertzka eigens eine Orgel angeschafft, auf der sie
spielte und komponierte. Ernst Krenek attestierte seiner Berufskollegin
Hofer und ihrer Förderin Hertzka „männliche Züge“ und lästerte: „Die
Schlussfolgerung lag auf der Hand.“
Dann kamen die Nationalsozialisten an die Macht, Österreich wurde
annektiert, die Jüdin Yella Hertzka floh nach London, die pazifistisch
gesinnte Maria Hofer wurde von der Gestapo verhaftet und mehrere Monate ins
Gefängnis gesperrt.
Solche Geschichten erzählt die Musikwissenschaftlerin und Radioredakteurin
Irene Suchy aus Wien zwischen den Aufführungen von Werken NS-verfemter
Künstlerinnen am Dienstagabend im Werner-Otto-Saal des Konzerthauses.
Hofers Toccata für Klavier („Die Maschine“) klingt nach feinen und schwer
mahlenden Räderwerken, das Stück oszilliert zwischen Technikskepsis und
Maschinenseligkeit der Vor- und Nachkriegszeit. Russell Ryan interpretiert
es gelassen, konzentriert und mit der nötigen Feinabstimmung der Getriebe
auf den Tasten.
## Rückkehr nach Berlin
Eine Toccata für Orgel hatte Hofer ihrer Förderin in den 30er Jahren
gewidmet, Hertzka verlegte jene für Klavier 1947 in der Universal Edition –
erneut in Wien, wo sie den einst arisierten Verlag als Verwalterin führen
durfte und ein Jahr darauf starb.
Ein ganzes Jahrzehnt lebte die Komponistin Ursula Mamlok noch in ihrer
Geburtsstadt Berlin, 2006 war die 83-Jährige aus New York hierher
zurückgekehrt, sie starb am 4. Mai. Als Jüdin war auch sie 1939 geflohen,
erst mit ihren Eltern nach Ecuador, auf sich allein gestellt schließlich in
die Vereinigten Staaten. In New York studierte sie Komposition und
entdeckte die Zwölftontechnik Arnold Schönbergs für sich. Ihre „Variations
for Solo Flute“ von 1961, die Ulrike Anton zum Besten gab, beeindrucken mit
kühnen Tonverläufen in krummen Metren, ruhige Passagen wechseln mit
schraffierten Tönungen.
Auch wenn Spekulationen oft wenig aussagekräftig sind, drängt sich eine
beim Hören geradezu auf: An diesem Stück hätte Eric Dolphy, einer der
Erneuerer des Jazz nach dem Krieg und wegweisender Multiinstrumentalist,
seine Freude gehabt.
Die Musikologin und Rundfunkautorin Bettina Brand erzählt im Gespräch mit
Suchy von ihrer Zusammenarbeit mit Mamlok. Ab 2006 erstellte sie erstmals
ein Werkverzeichnis der Komponistin, die nie ein Honorar für ihre Stücke
bekam, da sie diese meist im Auftrag befreundeter Ensembles und
MusikerInnen schrieb. Ihre Stellung als Professorin für Komposition an der
Manhattan School of Music sicherte Mamloks Einkommen über 40 Jahre.
Sie war nicht nur die erste, sondern lange Zeit auch die einzige
Professorin für Komposition an einer Musikhochschule in den USA. Brand
verrät, dass in Mamloks Namen die Gründung einer Stiftung bevorsteht, um
NachwuchsmusikerInnen zu fördern.
Nach der niederländischen Komponistin Henriëtte Bosmans (1895–1952), die
den Nationalsozialismus in Verstecken überlebte, ist bereits ein Preis
benannt. Der Cellist Friedemann Ludwig spielte ihre „Nuit Calme“ von 1926
als emotionale Fantasie über eine genussreiche Nacht im Freien – ein
Sinnbild für das Ringen von Frauen jener Zeit um Bewegungsfreiheit.
Nicht nur die Nacht war männlicher Präsenz seit jeher vorbehalten. Das
Österreichische Kulturforum zeigte, wie wichtig es ist, Komponistinnen
allerorten ans Licht des alltäglichen Musiklebens zu bringen und
selbstverständlich aufzuführen. Franziska Buhre
30 Jun 2016
## AUTOREN
Franziska Buhre
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