# taz.de -- Coming-out. Sex. Tot | |
> SERIEN Im US-Fernsehen gibt es einen hässlichen Trend: das | |
> Tote-Lesben-Syndrom | |
Bild: Ihr Tod löste in der LGBT-Community einen Aufschrei aus: Lexa aus „The… | |
von Morgane Llanque | |
Hauptfiguren in Serien sterben. Um die Zuschauer zu schockieren, damit sie | |
weiter einschalten – ein Trend in US-amerikanischen Serien, dem das | |
US-Onlinemagazin Vox.com Anfang Juni einen Artikel widmete. Darin listete | |
es alle TV-Serien-Tode aus den Jahren 2015 und 2016 von allen | |
TV-Serien-Charakteren in einem Schaubild auf: 242 Serienleichen in | |
Hautfarbe, Geschlecht und Sexualität. | |
Das Ergebnis: Die Figuren mit der geringsten Lebenserwartung sind Schwarze, | |
Frauen und LGBT-Menschen. Besonders lesbische und bisexuelle Frauen müssen | |
im Fernsehen mit einem frühen Tod rechnen. Für Schlagzeilen sorgte dieses | |
Phänomen, als vergangenen März Lexa, eine in der LGBT-Community beliebte | |
weibliche Figur aus der Science-Fiction-Serie „The 100“, getötet wurde. Und | |
zwar unmittelbar nachdem sie zum ersten Mal mit einer anderen Frau | |
geschlafen hatte. | |
Lexa ist nicht die Einzige. Allein im laufenden Serienjahr 2016 starben | |
schon zahlreiche queere Frauen: In der Zombie-Serie „The Walking Dead“ | |
erwischte es kurz nach Lexas Tod den Charakter Denise – kurz nach ihrem | |
Entschluss, Freundin Tara ihre Liebe zu gestehen. In der | |
Telenovela-Adaption „Jane the Virgin“ und der Krimi-SciFi-Serie „Person of | |
Interest“ starben die lesbischen Figuren Rose und Root. In einer Episode | |
der Fantasy-Reihe „The Magicians“ wurde eine schwarze, lesbische Frau | |
vorgestellt, nur um ein paar Szenen später zu sterben. Etwas ältere, aber | |
immer noch aktuelle Beispiele sind Rachel aus der Politserie „House of | |
Cards“, die gezwungen wird, ihre lesbische Beziehung aufzugeben und danach | |
ermordet wird. Im Prohibitionsepos „Boardwalk Empire“ trifft es gleich zwei | |
Frauen, die ebenfalls unmittelbar nach dem ersten Sex erschossen werden. | |
Lexas Tod war der erste, der zu einem Aufschrei im Internet führte: Die | |
LGBT-Community verbreitete auf Twitter den Hashtag #wedeservebetter, der | |
binnen Stunden weltweit trendete. Fans boykottierten die Serie und | |
formierten sich zu einer Bewegung gleichen Namens. Ihre Kritik: Queere | |
Frauen seien ohnehin in Serien unterrepräsentiert – und wenn es sie dann | |
gebe, dann werde weit mehr als die Hälfte von ihnen nach wenigen Episoden | |
umgebracht. | |
Diesen Trend kann man seit den 1970er Jahren verfolgen: Das dokumentierte | |
etwa das LGBT-Onlinemagazin Autostraddle, indem es die Zahl und Umstände | |
von Serientoden von bisexuellen oder lesbischen Figuren über die Jahrzehnte | |
auflistete. Meist sterben die Frauen, wenn sie kurz vor einem Coming-out | |
stehen oder gerade das erste Mal Sex mit einer Frau hatten. Meist werden | |
sie ermordet. Die symbolische Bedeutung dieser Todesumstände: Wer offen | |
queer lebt, wird dafür bestraft. | |
Lexa galt in der LGBT-Szene als positive Ausnahme. Was der Macher der | |
Serie, Jason Rothenberg, auch stets inszenierte: Noch Wochen vor Lexas Tod | |
postete er Regenbogensymbole und streute in sozialen Netzwerken Hinweise | |
auf ein mögliches Happy End für ihre Liebesbeziehung. Nun wirft ihm die „We | |
Deserve Better“-Bewegung auf ihrer Webseite vor, „seine Verantwortung in | |
der Darstellung von Minderheiten nicht ernst genommen“ und Fans „falsche | |
Hoffnungen gemacht“ zu haben. Rothenberg räumte via Twitter ein, dass Lexas | |
Tod anders ausgesehen hätte, wenn er „alles gewusst hätte, was er jetzt | |
weiß“. In Serien würde es aber nun mal „jeden treffen.“ | |
Dass einer der Gründe für Lexas Tod ein Engagement der Darstellerin in | |
einer anderen Serie war, ist für die Aktivistinnen zweitrangig: | |
Entscheidend sei für sie, dass Lexa nach dem ersten Sex mit ihrer Geliebten | |
starb. „Es hätte einen anderen Weg geben müssen, die Figur aus der Serie zu | |
schreiben“, schrieb ein Fan auf Twitter. | |
„We Deserve Better“ hat sich derweil zu einem Langzeitprojekt entwickelt – | |
das die Darstellung von LGBT-Figuren im Fernsehen generell verbessern will | |
und Kampagnen für die Suizidprävention von LGBT-Jugendlichen unterstützt. | |
Ihre Homepage bietet außerdem ein Forum, auf dem queere Frauen Geschichten | |
über ihr Coming-out und den Einfluss von Serien auf ihre Selbstwahrnehmung | |
teilen können. Viele schildern dort, wie sehr sie die Art, in der Lesben im | |
Fernsehen dargestellt werden, verunsichert und verstört habe. | |
23 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Morgane Llanque | |
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