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# taz.de -- Durchs Raster gefallen
> Essen Drei Jugendliche werden verdächtigt, einen islamistischen Anschlag
> auf einen Sikh-Tempel begangen zu haben. Trotz Hinweisen von Angehörigen
> und Lehrern hätte die Tat nicht verhindert werden können, behauptet die
> Landesregierung
Köln taz | Der Innenminister Nordrhein-Westfalens, Ralf Jäger (SPD), hat
derzeit jede Menge zu tun. Seit den Übergriffen in der Kölner
Silvesternacht ist er angezählt, seit vergangener Woche wird ihm zudem
vorgeworfen, seine Behörden hätten entscheidende Hinweise auf einen
islamistischen Anschlag auf den Sikh-Tempel in Essen übersehen. Ein Bericht
der Landesregierung, der am heutigen Donnerstag im Innenausschuss
diskutiert wird, weist das zurück. Die Verdächtigen seien den
Sicherheitsbehörden zwar im Vorfeld bekannt, die Anschlagsplanung aber
nicht absehbar gewesen.
Bei dem Anschlag auf das Sikh-Gebetshaus Mitte April wurden drei Menschen
verletzt, einer davon schwer. Zwei 16-Jährige und ein 17-Jähriger mit
Kontakten in die Islamistenszene sitzen in Untersuchungshaft. Der
Tatvorwurf lautet: Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und versuchter
Mord.
Das Abrutschen der Jugendlichen in die islamistische Szene wurde den
Sicherheitsbehörden vielfach angezeigt. Informationen dazu wurden jedoch
nicht ausgetauscht. So teilte etwa die Mutter des 16-jährigen Verdächtigen
Tonga I. der Polizei im Januar mit, dass ihr Sohn in ein islamistisches
Land ausreisen wolle, die Polizei befragte ihn eindringlich. Drei Wochen
vor dem Anschlag übergab die besorgte Frau den Beamten Notizen ihres
Sohnes. Angeblich wurden darin Pläne zur „Bekämpfung von Ungläubigen“
dargelegt. Die Polizei Duisburg stellte klar, dass die Aufzeichnungen
lediglich auf mögliche Eigentumsdelikte hinwiesen.
Die Landesregierung stärkt der Polizei Duisburg den Rücken: „Aus den
Aufzeichnungen ergaben sich zu diesem Zeitpunkt keine konkreten Hinweise
auf eine Anschlagsplanung.“ Dennoch hatte die Polizei eine Durchsuchung bei
dem Jugendlichen beantragt. Der Staatsanwaltschaft aber fehlte dazu der
„erforderliche Anfangsverdacht“.
Noch erschreckender ist die Vielzahl an Hinweisen im Falle des zweiten
16-jährigen Verdächtigen Yusuf T. aus Gelsenkirchen. Yusuf T. befand sich
bereits seit eineinhalb Jahren in dem Salafisten-Aussteigerprogramm
„Wegweiser“ des Innenministeriums. Der Schulleiter erstattete dem
Staatsschutz regelmäßig Bericht, im Dezember kam es zudem zu einer
Hausdurchsuchung. Im Januar soll Yusuf T. Mitschülern ein Handyvideo mit
der Detonation eines Böllers gezeigt und sich mit dieser
„Sprengstoffexplosion“ gebrüstet haben.
Die Polizei vereinbarte nur Verhaltensregeln mit ihm, gab den Vorfall noch
nicht mal an das Landeskriminalamt weiter. Ein Fehler, räumte die
Gelsenkirchener Behörde mittlerweile ein, die Vorgänge würden nun intern
aufgearbeitet.
Dass die Radikalisierung eines Verdächtigen durch sein Programm „Wegweiser“
nicht gestoppt werden konnte, sei bedauerlich, schreibt Jäger. Es gebe aber
auch in Zukunft keine Erfolgsgarantie für Präventionsarbeit. Auf die Frage
jedoch, warum eine Flut von Hinweisen nicht zu den entscheidenden Maßnahmen
führte, bleibt der Innenminister die Antwort schuldig. Claudia Hennen
2 Jun 2016
## AUTOREN
Claudia Hennen
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