# taz.de -- „Wir können so heuchlerisch nicht weiterleben“ | |
> Lebenslauf Flüchtling und Journalist, gefeierter Retter und kontroverser | |
> Mahner, immer im Einsatz für bedrohte Menschen: die Stationen Rupert | |
> Neudecks | |
Flucht hatte der am 14. Mai 1939 in Danzig-Langfuhr geborene Rupert Neudeck | |
als Kind im Zweiten Weltkrieg selbst erlebt. Mit seiner Mutter und vier | |
Geschwistern floh er 1945 bis nach Hagen in Westfalen. Flüchtlinge, sagte | |
er später, brauchten mehr noch als materielle Hilfe einen sicheren Ort. „Zu | |
wissen: Hier sind sie aufgehoben.“ | |
Nach dem Abitur 1958 belegte er zuerst Jura und Theologie und trat 1961 dem | |
Jesuitenorden bei, den er bald wieder verließ. Mit einer Promotion | |
(„Politische Ethik bei Jean-Paul Sartre und Albert Camus“) schloss er 1972 | |
sein Studium ab. | |
1970 heiratete er die Sozialpädagogin Christel Schänzer. Ihre drei Kinder | |
wurden 1974, 1976 und 1982 geboren. 1977 kam Neudeck als Journalist zum | |
Deutschlandfunk, wo er bis 1998 arbeitete. 1979 gründete er mit | |
Unterstützung Heinrich Bölls die Initiative „Ein Schiff für Vietnam“, aus | |
der 1982 das „Komitee Cap Anamur/Deutsche Notärzte e. V.“ wurde. Die „Cap | |
Anamur“ rettete bis 1986 über 10.000 vietnamesische Boatpeople. | |
In den 1990er Jahren engagierte er sich in zahlreichen | |
Bürgerkriegsgebieten. Er stapfte über die Berge von Afghanistan, Ruanda | |
oder Sudan, verlangte humanitäre Interventionen, besuchte bedrohte Menschen | |
mitten im Krieg in Bosnien und Kongo. 1999 engagierte er sich in der | |
Flüchtlingshilfe im Kosovo, in Albanien und Mazedonien. Den Vorsitz von Cap | |
Anamur gab er 1998 ab, 2002 trat er auch als Sprecher zurück. | |
2003 gründete Neudeck mit dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in | |
Deutschland, Aiman Mazyek, die Hilfsorganisation „Grünhelme“, die nach dem | |
Vorbild des „Peace Corps“ der USA Projekte in zahlreichen Ländern | |
unterstützt. | |
In der taz schrieb Rupert Neudeck zwischen 1988 und 2014 mehrere Dutzend | |
Kommentare und Reportagen. Am 17. November 1992 sagte er voraus: „Europa | |
will sie nicht mehr haben, die Boatpeople. Es sind Flüchtlinge, die ihr | |
Glück suchen – also das seit Thomas von Aquin und der Scholastik bis zur | |
U.S.-Constitution („the pursuit of happiness“) verbürgte Menschenrecht | |
einklagen. Wir werden demnächst noch mehr Bootsflüchtlinge haben. Das alles | |
wird so lange anhalten, bis wir begriffen haben und es uns eingebleut | |
worden ist mit Faustschlägen: Wir können so heuchlerisch nicht weiterleben! | |
Ex occidente luxus – und die übrige Welt guckt in die Röhre.“ li | |
1 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Jutta Lietsch | |
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