# taz.de -- Berliner Szenen: Am Kiosk | |
> Bier ja, Öffner nein | |
Schöneberg, draußen, ein herrlicher Sommertag. Ich warte auf meine Freundin | |
Cordula und lese Zeitung. Des Wartens müde, beschließe ich irgendwann, mir | |
ein Bier zu kaufen, und freue mich kurz darauf, dass der Späti an der Ecke | |
das großartige Bostoner Bier „Sam Adams“ zum äußerst fairen Preis von nur | |
1,99 Euro pro Flasche anbietet. Als ich den Verkäufer nach dem Bezahlen um | |
einen Flaschenöffner bitte, zuckt der nur hilflos mit den Schultern: | |
Aufgrund einer seit Kurzem praktizierten härteren Auslegung des | |
Gaststättengesetzes dürfte er mir weder die Flasche öffnen noch einen | |
Öffner anbieten. Einigermaßen ratlos überlege ich, ob ich mir als | |
Nichtraucher jetzt tatsächlich ein Feuerzeug zum Flasche-Öffnen kaufen | |
soll, entscheide mich dann jedoch dagegen: Ich will mir den günstigen „Sam | |
Adams“-Kauf nicht ruinieren. | |
Zurück auf der Straße wächst in mir die Ratlosigkeit, als ich in meinen | |
Taschen keinen auch nur im Ansatz geeigneten Gegenstand zum Öffnen finde | |
(und ich habe schon Bierflaschen mit Nivea-Cremedosen aufgekriegt). Als ich | |
gerade überlege, welchen der vorüberziehenden Passanten ich um ein | |
Feuerzeug anhauen soll, kommt der Kioskbetreiber nach draußen und befestigt | |
einen Flaschenöffner mit einer Schnur an einer nahe gelegenen | |
Straßenlaterne. | |
Während ich also dankbar mein Bier öffne, erklärt mir der Mann, dies sei | |
nun schon der zehnte Öffner, den er innerhalb einer Woche hier anbringe, | |
die Dinger würden permanent geklaut. Jedoch sehe er keine andere | |
Möglichkeit, den Kioskbesuchern ihr Recht auf ein frisches Getränk zu | |
garantieren. Nickend bestätige ich ihn hinsichtlich der Zweckmäßigkeit | |
seines Tuns und denke: Berlin ist ein wahrer Innovationsstandort – | |
nirgendwo sonst werden Gesetze so kreativ ausgelegt. Andreas Resch | |
8 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Andreas Resch | |
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