# taz.de -- „Andere Länder nahmen Deutsche auf“ | |
> MIGRATION Ab Montag widmet sich eine Veranstaltungsreihe dem Thema | |
> Flucht. Schirmherrin der „Tage des Exils“ ist die | |
> Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller | |
Interview ANNA DOTTI | |
taz: Herr Tetzlaff, warum ist es wichtig, sich mit dem Exil zu | |
beschäftigen? | |
Sven Tetzlaff: In der Veranstaltungsreihe sprechen wir über Exil und Flucht | |
gleichermaßen. Wir wollen den großen Kontext sichtbar machen. Das Exil | |
spielt in Deutschland historisch gesehen eine sehr große Rolle. Aber es | |
geht auch um die Situation der Länder, aus denen die Menschen heute fliehen | |
müssen. | |
Inwiefern betrifft das Thema denn auch die Deutschen? | |
Ein großer Teil der Weimarer Kulturschaffenden ist in den 20er- und | |
30er-Jahren ins Exil gegangen. Diese Menschen mussten fliehen, weil sie | |
hierzulande verfolgten wurden – weil sie jüdischer Abstammung, | |
Sozialdemokraten oder Kommunisten waren. Sie hatten die Möglichkeit, im | |
Ausland Fuß zu fassen – und sind zum Teil auch nicht mehr nach Deutschland | |
zurückgekommen. Wir wollen daran erinnern, dass andere Länder in der | |
Vergangenheit Deutsche aufgenommen, ihnen eine neue Heimat gegeben haben. | |
Kann diese Erfahrung bei der Aufnahme von Flüchtlingen helfen? | |
Die Geschichte muss sichtbar sein, um nutzbar zu werden. Wir bringen die | |
Erfahrungen der Geflüchteten mit dem besonderen Blick auf Gemeinsamkeiten | |
ins Gespräch. Es ist wichtig zu verstehen, warum die Leute ihre Heimat | |
verlassen mussten, aber auch, wie man es diesen Menschen leichter machen | |
kann, an einer fremden Gesellschaft Teil zu haben. | |
Bietet Deutschland Migranten eine Heimat? | |
In gewissem Maße schon. Einige von den deutschen Exilierten sind als | |
Emigranten zurückgekehrt. Sie haben den Staat wiederaufgebaut. Ein | |
Paradebeispiel dafür ist Herbert Weichmann, der als Jude verfolgt worden | |
war. Nach mehreren Flucht-Stationen kam er in Amerika an. Nach dem Krieg | |
hat er sich entschieden, wieder nach Hamburg zu kommen – um die Demokratie | |
neu aufzubauen. Er ist dann Bürgermeister geworden. | |
In welcher Form stellen Sie dieses weit gefasste Thema dar? | |
„Tage des Exils“ besteht aus einem sehr vielfältigen Programm. Wir wollen | |
auf diese Art und Weise ein breites Publikum erreichen und nicht nur | |
Wissenschaftler, die sich ohnehin schon mit dem Thema beschäftigen. Es gibt | |
Angebote für alle: Filme, Lesungen, Stadtrundgänge, Foto-Ausstellungen und | |
Vorträge. Einige Veranstaltungen kosten nicht mal Eintritt. | |
Wie ist es Ihnen gelungen, so ein umfangreiches Programm auf die Beine zu | |
stellen? | |
Die Idee ist in der Herbert-Weichmann-Stiftung entstanden. Sie bezog sich | |
zunächst aber vor allem darauf, die Angebote sichtbar zu machen, die es in | |
Hamburg zu dem Thema schon gibt. Im Rahmen unseres Programms öffnet eine | |
ganze Reihe von Universitätsinstituten und Forschungseinrichtungen. Es ist | |
auch das erste Mal, dass es eine solche koordinierte Zusammenschau von | |
Aktivitäten in Hamburg gibt – das ist schon ein schönes Ergebnis von „Tage | |
des Exils“. | |
Wer ist alles involviert? | |
Die Walter-Berendsohn-Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur, eine | |
sehr wichtige, einzigartige Forschungseinrichtung in Deutschland, macht | |
mit. Auch das Institut für die Geschichte der deutschen Juden nimmt teil – | |
da spielt das Thema Emigration und Exil auch selbstverständlich eine | |
zentrale Rolle. Zudem sind Organisationen involviert, die ganz aktuell mit | |
Flüchtlingen umgehen, beispielsweise die Hamburger Stiftung für politisch | |
Verfolgte. | |
„Tage des Exils“: 23. Mai bis 5. Juni, diverse Veranstaltungsorte | |
www.tagedesexils.de | |
21 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Anna Dotti | |
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